Frauenrechte sind auch Menschenrechte – Im Gespräch mit der ägyptischen Regisseurin Laila Samy
Aktualisiert am 04. Februar 2019 von Sham Jaff
Frauen tragen maßgeblich zur Steigerung der Wirtschaft bei. Dennoch sind sie oft unsichtbar, ihre Leistung bleibt unbeachtet und ihre Arbeit wird schlechter bezahlt. Mit 9 Kurz- und Dokumentarfilmen über Frauen in Nordafrika möchte die Initiative Ana Hunna - Ich bin hier! auf diese Situation aufmerksam machen. Drei davon wurden in Nürnberg gezeigt.
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Vom 09.10 bis 12.10.2014 präsentierte das Internationale Nürnberger Filmfestival der Menschenrechte - international bekannt unter Nuremberg International Human Rights Film Festival oder NIHRFF - die spannendsten Menschenrechtsfilme des letzten Jahres, um dadurch die Wartezeit bis zum nächsten Festival im Oktober 2015 zu überbrücken.
Gezeigt wurden sechs preisgekrönte internationale Filme wie American Vagabond, The Second Game oder First Class Asylum, die gemeinsam Themen behandeln - wie Homosexualität in den Vereinigten Staaten, Repressionen zu Zeiten des Nicolae Ceaușescu, des damaligen Diktators der Sozialistischen Republik Rumänien oder die Situation der Flüchtlinge in Deutschland.
Fokus: Berufstätige Frauen in Nordafrika
Doch nicht nur die thematische Auswahl war groß, die regionale Reichweite war es auch. So wurde ein ganzer Samstagabend dem Thema Frauen in der Arbeitswelt Nordafrikas gewidmet. Im Rahmen des Kurzfilmprogramms Ana Hunna - Ich bin hier! zeigte das Nürnberger Filmhaus drei beeindruckende Filme aus Marokko und Ägypten. In ungefähr 90 Minuten stellten die Spiel- und Dokumentarfilme Om Amira, Leur nuit und The Story of ‘N’ herausragende Frauenpersönlichkeiten aus Ägypten vor, die in Vollzeit berufstätig die alleinige Verantwortung für die Familie tragen. Ohne Kinderbetreuung, Kindergeld, Work-Life-Balance oder sonstige Hilfestellung. Laila Samy, Regisseurin von The Story of ‘N’ war auch anwesend. 1980 in Ägypten geboren war Laila Samy bereits in jungen Jahren vom Kino begeistert. Kein Wunder, denn Ägypten ist das ‘Hollywood des Nahen Ostens’. Mehr als 100 Filme werden hier jährlich produziert. (zum Vergleich: Hollywood macht 150 Filme im Jahr.) Sie studierte Anglistik und Film. und war kurz darauf auch in mehreren Filmen als Schauspielerin zu sehen, u.a. in “The Yacoubian Building”, der teuerste ägyptische Film aller Zeiten, welcher übrigens auch in deutschen Kinos zu sehen war.
Aber auch hinter der Kamera war Samy sehr engagiert und drehte eine Reihe von Kurzfilmen und Dokumentationen, wie The Story of ‘N’.
‘N’ ist die Protagonistin. Ihr Gesicht bekommen wir im Film nie zu sehen. Was wir sehen, sind Filmausschnitte von wirbelnden Frauhänden während verschiedener Wachsbehandlungen in einem ägyptischen Schönheitssalon. Hin und wieder zeigt Samys Kameraführung auch Straßenaufnahmen und manchmal auch sich selbst. Das ungewöhnliche Format von verzerrten Aufnahmen an unkenntlich gemachten Plätzen lässt die Zuschauer genauer zuhören. Meistens erzählt Samy ‘N’s Geschichten anhand der Dialoge, die während ihrer gemeinsamen Enthaarungssessions erfolgen. ‘N’ erzählt von Alltagsproblemen mit denen sie zu kämpfen hat, ihren persönlichen Hoffnungen und Ängsten. Die Gespräche werden schnell zur Kritik an Kultur, Gesellschaft und Politik. Somit wird ‘N’ unbemerkt zur Stimme all jener ägyptischen Frauen, die müde sind vom Status Quo und mehr möchten.
Im Gespräch mit Laila Samy
Ihr Film berührte mich und ich ergriff die Gelegenheit. Ich lud sie ein mit mir Kaffee trinken zu gehen. Sie willigte ein und am nächsten Morgen saßen wir im Besprechungszimmer des Hotel Drei Raben in Nürnberg. Wir tranken Kaffee und unterhielten uns über den arabischen Frühling (und wie er zum Winter wurde), guten Wein, England, Familie und bayrische Könige. Am meisten aber redeten wir über ihren Film.
Sham: Berufstätige Frauen in Ägypten: Warum eigentlich über genau dieses Thema?
Laila Samy: Das kam nach und nach. Acht Jahre lang ging ich zum selben Schönheitssalon in Ägypten und ‘N’ wachste meine Beine. 40 Minuten in ein und dem selben klitzekleinen Raum – da bleibt es nicht aus, dass man zur Freundin wird. So erfuhr ich, dass sie eigentlich ein abgeschlossenes Studium hat. Diesen Job als Kosmetikerin in einem Schönheitssalon – in Ägypten leider tabu – macht sie nur, weil sie keine andere Anstellung bekommen konnte. Das fand ich absurd und ich fragte sie, ob ich ihre Geschichte erzählen dürfte.
Sham: Warum ist es ein Tabu in einem Schönheitssalon zu arbeiten?
Laila Samy: Naja, die meisten Schönheitssalons haben vor allem Tänzerinnen und Prostituierte als Kunden – also Frauen, die dafür bezahlt werden, Männern zu gefallen. ‘Unschuldige’ Frauen sollten da unnötigen Kontakt meiden.
Sham: Wo ist es denn nicht tabu, zu arbeiten?
Laila Samy: Die meisten sind Reinigungskräfte, Köchinnen, Straßenfegerinnen oder Taxifahrerinnen. Leider treffe ich selten Frauen in höheren Positionen. Das möchten nun viele Nicht-Regierungsorganisationen ändern.
Sham: Wie denn?
Laila Samy: Indem sie ägyptischen Frauen überhaupt erst mal erklären, warum sie gleiche Rechte verlangen sollten. Der erste Schritt liegt in der Bewusstseinsveränderung der Frauen selbst. Anders geht es gar nicht.
Sham: Ich verstehe.
Laila Samy: Ich hatte viele Gründe, diesen Film zu drehen. Einer der Gründe war meine Frustration über ‘N’s Schicksal. Eine junge, intelligente Frau wie sie macht den Job einer Schulabgängerin ohne die Aussicht, ihrem Sohn ein besseres Leben zu ermöglichen. Sie ist leider kein Einzelfall. Viele Frauen in Ägypten geben sich mit schlecht bezahlten Jobs zufrieden, weil sie sonst arbeitslos wären. Ihre Ehemänner dagegen sind sich oft zu schade dafür und bleiben lieber ohne Arbeit.
Sham: Und dann helfen sie nicht einmal im Haushalt mit.
Laila Samy: Schon ironisch, wie wir uns in den Schönheitssalons für sie hübsch machen lassen. Frauen tragen eine immense Verantwortung - als Ehefrauen und als Mütter. Hast du eine Tochter, bringe ihr das Konzept von Gleichheit und Gerechtigkeit bei. Hast du einen Sohn, bringe ihm dasselbe bei. Aber bringe es ihm wirklich bei.
Erst langsam fangen ägyptische Frauen an zu begreifen, dass sie mehr vom Leben verlangen dürfen als bisher. Unsere Mütter haben unsere Ehemänner verzogen und wir müssen viel lauter darüber reden , wie es uns darauf hin ergeht. Ich hoffe, dass mein Film ihnen dabei etwas weiter hilft.
Sham: Das hoffe ich auch. Vielen Dank für das Gespräch, liebe Laila.