Von Nürnberg aus die Welt retten - Ein Interview

Aktualisiert am 04. Februar 2019 von
Weltretter Jam Team Nürnberg

Um die entstandene Idee zu präsentieren, wird beim Weltretter Jam mit Hilfe von Videos und Fotos gearbeitet.

Die Welt retten? Wird das dem Weltretter-Jam in Nürnberg gelingen? Der Nürnberger Weltretter-Jam wird es in diesem Jahr schaffen, die Welt etwas besser zu machen. Davon bin ich jetzt schon überzeugt. Ob man es Spirit, positive Energie oder einfach nur Antrieb nennt: Seit meinem Gespräch mit Andreas Fehr weiß ich, dass in Nürnberg das Potential zur Weltrettung vorhanden ist.

Logo Weltretter Jam Nürnberg

Andreas Fehr organisiert zusammen mit Michael Sabah den Weltretter Jam, ein 48-Stunden-Veranstaltungsformat bei dem gemeinsam Ideen entwickelt werden, die die Welt ein kleines Stück und gern auch ein großes Stück besser machen. Der besondere Reiz liegt darin, dass der Weltretter Jam in Nürnberg zeitgleich mit vielen anderen Jams weltweit stattfindet und zwischen den verschiedenen Orten auch ein Austausch statt findet.

Getroffen habe ich mich für das Gespräch mit Andreas Fehr im Coworking Space Nürnberg, einem Ort der wie geschaffen ist für einen Weltretter Jam. Deshalb erscheint es als völlig selbstverständlich, dass auch die zweite Ausgabe des Nürnberger Weltretter Jams hier stattfinden wird.

Interview mit Andreas Fehr

Andreas, lass uns doch zunächst einmal klären: Was ist denn überhaupt ein Jam? Der Ansatz kommt aus der Musik. Leute mit unterschiedlichen Skills, unterschiedlichem Wissen, unterschiedlichen Expertisen treffen sich. Egal ob sie 12 oder 84 Jahre alt sind: Das spielt überhaupt keine Rolle. Die Idee ist Techniken von Servicedesign zu verwenden, sich also spielerisch mit neuen Techniken auseinander zu setzen und etwas zu entwickeln, was greifbar ist.

Teilnehmer Weltretter Jam Nürnberg

Das Bild drückt es aus: Mit Spaß und großer Begeisterung werden in Nürnberg Ideen entwickelt, die die Welt ein Stückchen besser machen sollen.

Kann das also ein Produkt aber auch eine Dienstleistung sein? Da kommen wir zu jetzt zu den Unterschieden der verschiedenen Jams. Bei der Global Service Jam ist es eine Dienstleistung und bei der Global Sustainability Jam, die in Nürnberg als Weltretter Jam veranstaltet wird, ist es weiter gefasst. Wie der Name schon sagt, steht hier der Begriff Nachhaltigkeit im Vordergrund. Auf Grund dessen kann ich also ein Produkt oder eben auch ein Projekt entwickeln, welches die Welt verbessert. Die Global Service Jam, die immer im Februar oder März stattfindet, ist also rein auf Dienstleistungsentwicklung ausgelegt und beim Global Sustainability Jam ist es offener gehalten.

Den Namen Weltretter Jam gibt es demnach nur in Nürnberg? Genau. Da für den Global Sustainability Jam lokal eigene Namen vergeben werden können, haben wir das Event in Nürnberg Weltretter Jam genannt. Letztlich ist es also das gleich nur eben unter anderem Namen.

Erklär doch mal, was das für Ideen sind, die bei solchen Jams entstanden sind? Insgesamt sind es schon hunderte Ideen, die bei den weltweiten Jams entstanden sind. Das beginnt bei einfachen Applikationen, also z.B. Smartphone-Apps, bis hin zu eBook-Formaten oder Communities, die beispielsweise auf Nachbarschaftshilfe ausgerichtet sind. Ein weiteres Projekt, das wirklich gestartet wurde, ist der Regenbogen-Stift. Der Stift ist aus Papier statt aus Holz. Die Miene ist also mit verschiedenfarbigen Papieren umwickelt und beim Spitzen entsteht dadurch ein Regenbogen. Das nachhaltige Projekt wurde vor kurzem sogar bei kickstarter, also per Crowdfunding finanziert.

Wie ist der organisatorische Ablauf? An welche Vorgaben muss man sich als Teilnehmer halten? Vorgaben gibt es im Prinzip nur wenige. Wenn man offen ist, ist die Grundvoraussetzung schon erfüllt. Humor kann auch nicht schaden. Hat man eine Kamera, einen Laptop oder Tablet hilft das. Ansonsten dauert der Weltretter Jam 48 Stunden und wir bekommen am Freitag Abend wie alle andere Jam-Orte weltweit ein sogenanntes Thema, also quasi ein Schlagwort gestellt. Die Teilnehmer haben dann 48 Stunden Zeit, einen Prototypen Ihrer Dienstleistungs- oder Produktidee zu entwickeln. Am Sonntag um 17 Uhr müssen die Jammer ihre Ergebnisse auf die globale Plattform hochladen. 2011 beim ersten Global Service Jam war das Thema "Superheroes". Du siehst also schon: Die Begrifflichkeiten sind so gewählt um zu zeigen, dass ein auch ein sozialer Aspekt dahinter steckt.

Kannst du ein Beispiel für eine Idee nennen, die bei einem Nürnberger Jam entwickelt wurde? Ja. Bei "Superheroes" hatten wir folgende Idee. Vielen Stadtmenschen haben nicht mehr so eine enge Verbindung zur Natur und Kinder denken teilweise immer noch, dass die Milch aus dem Automaten oder eben dem Kühlregal kommt. Unser Idee war ein eBook mit 12 verschiedenen Geschichten, der "Experience Adventure Hero". In den Erzählungen ging es auch um Pony-Reiten oder eben Kuh melken. Am Ende jeder Geschichte kann ich über eine Art Menü jemanden in der Region anzeigen lassen, der zum Beispiel ein Pony hat und einen Besuchstermin vereinbaren. Dort kann man dann das Pony reiten, es pflegen und versorgen und am Ende natürlich auch ein Foto machen, welches wieder Bestandteil des eBooks wird und somit zum individuellen Abenteuerbuch wird.

Ich werde immer wieder gefragt, was denn aus den Ideen wird und warum so wenige realisiert werden. Klar, das sind absolut coole Projekte, aber man braucht dann natürlich auch Leute, die so etwas weiter verfolgen und auch investieren. Andererseits: Der Weltretter Jam ist eben auch kein Startup-Weekend bei dem Leute schon mit Gründungsidee bzw. Gründungsabsicht kommen. Bei der Jam geht es vielmehr darum neue Tools zu entdecken, was zu entwickeln und die Macht der Kreativität zu erleben. Mich haut es jedes mal um, wenn ich sehe, was man innerhalb von 48 Stunden schaffen kann. Wenn man sich überlegt, dass die Leute am Freitag Abend ein Schlagwort bekommen, sich Gedanken machen müssen und schon am nächsten Nachmittag stehen sie auf der Straße mit einem Papierprototypen und zeigen wildfremden Menschen ihre Idee.

Ist das Zeigen von den entwickelten Ideen auf der Straße fester Programmpunkt?

Umfrage Straße Weltretter Jam

Teilnehmer beim Weltretter Jam 2012 stellen Passanten in Nürnberg ihre ersten Ideen in Form eines Protopyen vor.

Es ist natürlich kein Muss aber ich empfehle es jedem. Aufgrund des direkten Feedback erhalte ich ein viel besseres Gefühl dafür wo meine Idee vielleicht noch hakt. Weil wenn am Ende bei einer eventuellen Realisierung die Anwender es nicht verstehen, ist es eben keine so gute Idee. Da ist auch der Sinn und Zweck vom Prototyping. Deswegen jagen wir die Jammer schon ganz gern nach draußen auf die Straße. Als ich zur "Fortbildung" bei der Global Service Jam in Berlin war, haben wir auch Prototyping gemacht, aber keinen Straßen-Test. Dafür sind wir früh auf die Straße und haben Passanten Fragen zu einem Themenbereich gestellt, um Bedürfnisse zu ermittle. Diese Ergebnisse sind dann in die Prototypen-Entwicklung eingeflossen. Auch ein wichtiger Bestandteil von Servicedesign! Durch diesen Einfluss aus anderen Jam-Städten kann ich dann den Jammern hier in Nürnberg auch immer wieder Neues präsentieren. Neue Tools und neue Einflüsse um auch neue Highlights zu setzen.

Wie bist du dazu gekommen einen Jam zu veranstalten bzw. zu organisieren? Auf das Thema Jam bin ich durch Zufall gestoßen. Ich habe Markus Hormeß und Adam Lawrence, die auch aus der Region Nürnberg kommen, kennen gelernt. Sie sind die Gründerväter der Jam-Bewegung. Im März 2011 gab es die allererste Global Service Jam. Hier in Nürnberg war das Headquarter und die beiden haben noch Mit-Helfer für die lokale Jam gesucht. Da ich neu in der Stadt war, mich das Thema interessierte und ich mich vernetzen wollte, habe ich sofort meine Unterstützung angeboten! Mit der ersten Jam haben gleich über 30 Locations in über 20 Ländern weltweit mitgemacht. Ca. 1.200 Leute haben zeitgleich an diesem Wochenende in diesen 48 Stunden Ideen entwickelt.

Wie war es möglich dieses Format von Beginn an in diesem globalen Rahmen zu starten? Adam und Markus kommen aus dem Servicedesign und dieses Netzwerk ist sehr international orientiert und sehr gut vernetzt. Ähnlich wie auch beim Coworking ist der Knowledge Sharing Gedanke vorhanden. Durch Austausch und miteinander arbeiten kann viel entstehen. Du siehst also: Für den Jam sind schon gewisse Strukturen vorhanden. Im Jahr gibt es zwei große Konferenzen wo sich Service Designer treffen. Bei einem dieser Treffen wurde die Jam-Idee gepusht und die Idee hat sofort gerockt.

Welche Resonanz erhält hierzulande ein Format wie der Global Service Jam bzw. der Weltretter Jam? Leider ist das in Deutschland verschwindend gering. In Amerika natürlich aber auch in England und Australien ist man bei den Jams und so etwas wie Service Design viel viel weiter. Die BBC hat schon mal eine Live-Schaltung zu einer Jam gemacht. In Deutschland sprichst du dann zum Beispiel mit dem Bayerischen Rundfunk. Sie interessiert das nicht und die verstehen es auch nicht, was da global gerade im Bereich Design-Thinking passiert. Das wird wohl in Deutschland noch ein paar Jahre dauern bis das ankommt.

Wie viele Teilnehmer sind beim Weltretter Jam dabei? Wir haben so ca. 20 bis 40 Teilnehmer. Das ist eine Größenordnung wo die Leute sich untereinander auch noch gut kennen lernen können. Beim ersten Kennenlernen am Freitag gibt es für alle einen kleinen Impuls zum Thema Nachhaltigkeit. Wir haben in diesem Jahr dafür eine Gastreferentin von Bluepingu e.V., die nachhaltige Wirtschaft, also Sustainability Management in Lübeck studiert hat. Nachdem wir dann das Theme bekommen haben, also das Schlagwort kennen, machen wir am Abend noch ein Gruppen-Brainstorming. Am nächsten Morgen geht es dann über eine Ideation-Phase zur Entwicklung der Projektideen. Diese werden schließlich am Sonntag bis 17 Uhr auf die globale Plattform hochgeladen und noch in der Gruppe vorgestellt. und treten gegeneinander an. Zum Schluss möchte ich mich noch beim Verein Bluepingu bedanken. Dort habe ich als Weltretter meine ehrenamtliche Heimat gefunden und bekomme hier alle Unterstützung, die ich brauche.


Andreas Fehr

Andreas Fehr organisiert auch in diesem Jahr wieder den Weltretter Jam in Nürnberg

Das Gespräch mit Andreas Fehr zeigt wieder einmal wie großartig diese Region und wie Nürnberg in meinen Augen immer noch unterschätzt wird. Sicher: Veranstaltungen wie der Weltretter Jam sind Nischenveranstaltungen. Aber das so ein Format hier entstanden ist und mit großem Erfolg weltweit etabliert wurde zeigt doch: Wir müssen und brauchen uns nicht zu verstecken. Ich kann mich "nur" auf das wirklich angenehme und informative Gespräch mit Andreas und noch nicht auf die eigene Weltretter Jam Erfahrung beziehen: Geht hin und spinnt, bastelt, erforscht und erarbeitet euch beim Weltretter Jam Nürnberg tolle Ideen. Ideen, die die Chance haben die Welt wirklich zu verändern.

Wer also das ganze miterleben und mitgestalten möchte, der kann sich noch für den Weltretter Jam in Nürnberg anmelden. In diesem Jahr findet der Jam vom 22.-24.11. statt.

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