Winterblue(s). Wilde Bergfahrt, lange Suche und ein schrottiger Übernachtungsplatz
Aktualisiert am 04. Februar 2019 von Peter Budig und Ina Niederlich mit Bildergalerie
Wir wollen nur noch das: Endlich - wieder - duschen. Kein Campinggas, kein Campingplatz, kein Strom am Parkplatz. Das heißt Hygiene-Askese. Ina hat sich immerhin mit Babytüchern eingedeckt und kräftig abgerieben. Jetzt sitzt sie neben mir, blond und blauäugig, selig, frisch angezogen, wie immer hübsch anzusehen und riecht wie ein frisch gewickelter Babyarsch.
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Das hilft ihr aber nichts, als es durch die wilden Abruzzen geht. Bergauf, Nadelörkurven, Straßenbeläge wie von tiefem Karies durchzogen. Aber da muss sie jetzt durch; Ina muss die Fotos auswählen, bearbeiten, für das Verschicken aufbereiten. Es ist ja kein Urlaub, so ein Projekt. "Ich kotz gleich", schreit Ina von hinten, als es in steilen Kurven ohne Pause bergab-bergauf geht. Nur einmal machen wir Rast. Ich lerne Giovanni kennen, einen Bergbauern mit Zähnen, abgebrochen und karstig wie die Straßen hier, der mir stolz sein Haus zeigt. Ein Bergidyll mit dicken Mauern und einem vereisten Gartenweiher. Hunde (in Italien selten) toben im Garten. Eine Aussicht für Wanderfreunde.
Als Journalist recherchiert man sowas vorab. In Sirolo - einer der exklusivsten Urlaubsorte der Riviera del Conero – wie uns der Reiseführer "Marken" aus dem Michael Müller Verlag verrät – soll es einen geben: Green Garden. Aber Easycamping.it irrt, von wegen ganzjährig geöffnet. Andere Campingadressen enden (laut Navi) vor einer Tanke hoch am Berg. Wir folgen Wegweisern weg vom Strand, hoch in den Monte Conero, rein in den dichten Wald, der an die Uferregionen angrenzt. Ein Platz wird unvergessen bleiben, inmitten des Waldes, sternförmig führen die Straßen hin und mitten drin ein rot beleuchteter Weihnachtsbaum. Alles Irrwege! Nein: mitten am Berg, von riesigen Felsfindlingen begrenzt, ein Parkplatz für Camper. Ohne Strom, ohne Klo, aber legal. Allerdings sind wir die einzigen, die diesen Platz heute entdeckten. Ina ist's zu unheimlich.
Ein Camperstellplatz mit Schrottplatzflair
Dann geht es wieder bergab, durch die dichten Wälder, die engen Straßen, Richtung Ancona, Hauptstadt der Region Marken, 100.000 Einwohner, sehr belebter Hafen für Handels- und Passagier-Schiffe. Keine schöne Stadt, eng, graue Häuser. Und wie immer niemand der Englisch spricht, abends um sechs, um sieben, um acht und uns hilft, einen Campingplatz zu finden. Da hilft auch "la bella Bionda" nichts, die Geheimwaffe Ina, die eigentlich immer Furore macht, (und inzwischen "alle Telefonnummern" des libyschen Beduinenfürstensohns erhalten hat > Silvesternacht in Perugia). Was lernen die jungen Menschen hier nur in der Schule, dass keiner drei Worte Englisch zusammenbringt?
Ina, die emsige Googlerin, findet schließlich den Camperplatz, der einem Schrottplatz gleicht. Immerhin, immmmmerhin: Strom, Wasser, Abflussvorrichtung für Brauchwasser gibt es. Dafür kommt am nächsten Morgen auch der städtische Kassier und holt sich 12,20 Euro ab. Fürs Stromabzapfen? Wir nutzen Gas und Strom und weihen die Globebusdusche ein und endlich, endlich duften wir wieder frisch und rein.
Auf der Suche nach Kaffee und Frühstück machen wir uns auf ins Zentrum von Ancona. Enge Straßen, wildes Parken, kein Café in Sicht. Auch nicht oberhalb des Hafengeländes an der Piazza del Duomo, wo die Cattedrale San Ciriaco eindrucksvoll über die Stadt wacht. Zwei Löwen aus Veroneser Marmor – sie stammen aus dem 13. Jahrhundert – empfangen uns am Eingang. Im Inneren herrscht andächtige Stille, ganz anders als in Assisi. Ein paar Fotos (unerlaubterweise - ist ja niemand da, der uns aufhält), ein Blick ins italienische Gesangbuch, ein kleiner Rundgang durch die Krypta. Hier liegen die Reliquien des heiligen Ciriaco, dem Ortspatron von Ancona.
Die Adriastrände öd und leer - doch voller wildromantischer Ecken
Jetzt hält uns nichts mehr: Portonovo, der Strand am roten Weihnachtsbaum, den man erreicht, indem man durch die hohle Waldgasse geht. Der Wind pfeift, die Restaurants stehen starr und leer, Ina sammelt Muscheln und genießt es, mit nackten Füßen in die Adria zu waten. Wir lernen Francesca, Livio und Giada aus Ancona kennen, die ihre vier Pinscher am Strand ausführen.
Direkt am Meer der verlassene Zeltplatz "La Torre", dessen Sperrzaun wir zu Dokumentationszwecken überwinden. Schaut euch die Fotos an: So schauen italienische Piagga-Zeltplätze im Winter aus!!! Heute wollten wir einen Tag frei machen. Aber, in Ermangelung eines geeigneten Ruheplatzes, geht es weiter. Immer die leere Adria entlang, Richtung Pescara. Ziel? Unbekannt.
Nächste Etappe: Lassen wir uns gemeinsam überraschen... Wir hoffen ja immer noch auf einen 5-Sterne-Campingplatz mit heißen Duschen, Pool und Blick aufs Meer.