Im Dialog mit dem Produkt - Das Josephs in Nürnberg

Aktualisiert am 04. Februar 2019 von
JOSEPHS - Die Service-Manufaktur

Hier wird der Konsument zum Prosument: Im Josephs in Nürnberg probiert man Neuheiten aus und tritt in den Dialog mit Produkten und Serviceleistungen. Der Laden ist ein Gemeinschaftsprojekt der FAU und der Fraunhofer-Arbeitsgruppe SCS. Foto: © Benjamin Jungert / Nürnberg und so (cc)

Weg von der klassischen Marktforschung hin zum Design Thinking: Im Mai 2014 eröffnete das Josephs in Nürnberg. Dort ist jeder eingeladen, noch nicht erhältliche Produkte zu testen und sie durch direktes Feedback weiterzuentwickeln.

„Alles Leben ist Problemlösen“ sagte der Philosoph Karl Popper einst. Er hatte dabei immer das Gegenüber im Blick. Das Josephs in der Karl-Grillenberger-Straße 3 bietet verschiedenen Unternehmen eine Präsentationsfläche für ihre Produkte und Dienstleistungen an. Durch die Anregungen der Kunden möchte man die vorgestellten Produkte und Dienstleistungen weiterentwickeln,da diese sich noch in der Testphase befinden. Drei Monate dauert ein Zyklus, dann sind andere Firmen an der Reihe. Das seit August aktuelle Thema lautet „Rund um die Box“. Die Mitarbeiterinnen Inge Steinmetz und Julia Jonas führen mich bei meinem Besuch herum und beantworten mir grundsätzliche Fragen zum Josephs; meine drei kurzen Produkt-Reviews findet man bei den Bildern.

Selbstgestalteter Sitzwürfel

Sitzmöbel können individuell gestalten werden.
Foto: © Benjamin Jungert / Nürnberg und so (cc)

Sitzwürfel: Würfel oder Zylinder?

Ich liege mit meinem Voting für Zylinder voll im Trend. Die Sitzmöbel kann man individuell gestalten (das Bratwurst-Motiv gehört eher nicht zu meinen Favoriten) und sie machen einen hochwertigen Eindruck; gerade der Baumstamm-Sitz knickt jedoch etwas ein.

Vasen und Lautsprecher, geformt durch Töne

Soundvase - Ich liebe dich

„Ich liebe Dich“ selbst gesproch als Vase.
Foto: © Benjamin Jungert / Nürnberg und so (cc)

Man singt, schnipst oder spricht in ein Mikro. Die Ausschläge der Töne werden in Formen übersetzt. So kann man mit einer Vase sprichwörtlich sagen „Ich liebe Dich“ (auch wenn Du etwas unförmig bist). Für den individuellen Lautsprecher kann man seinen Musikgeschmack aufzeichnen lassen und erhält damit als Heavy-Metal-Hörer ein eher stachliges, als Pop-Genießer ein eher rundes, homogenes Exemplar. Nebenan befindet sich ein Ableger des Fablab, einer kreativen Spielwiese mit 3-D-Drucker etc.

Das erklärungsbedürftige Wurfzelt

Josephs Wurfzelt

Muss nicht mehr aufgebaut werden, das Wurfzelt.
Foto: © Benjamin Jungert / Nürnberg und so (cc)

Das Produkt ist bekannt und ebenso, dass es nicht mehr aufgebaut werden muss. Nur wenn es ans Zusammenfalten geht, beginnt meist das Rätselraten. Über einen QR-Code beispielsweise gelangt man zu einem Video, das die Rolle rückwärts erklärt. Auf einem Flipchart finden sich die Rekordergebnisse der Besucher, die dies ohne Anleitung geschafft haben. Ich als Philosoph halte mich da raus.

Das Josephs ist für Inge und Julia auch eine Reaktion auf die beiden großen Firmenpleiten in der Region innerhalb der letzten Jahre, nämlich AEG und Quelle. Damit einher ging auch eine einseitige, produktionsorientierte Denkweise. In einem kurzfristig geschützten Rahmen können sich Unternehmen ausprobieren. Auf diese Weise könnte das Josephs dazu beitragen Firmeninsolvenzen zu vermeiden. Von Firmenpleiten sind sehr häufig eher kleinere Unternehmen betroffen, wobei deutschlandweit die Insolvenzen aktuell weiter zurück gehen.

Was ist der Grundgedanke des Josephs?

Es ist ein Gemeinschaftsprojekt der FAU (Lehrstuhl Wirtschaftsinformatik 1) und der Fraunhofer-Arbeitsgruppe SCS (Suppy Chain Services). Es gibt ein paar theoretische Säulen: Zum einen ist es ein Experiment um Dienstleistungen in der Realität testen zu können. Oft kann nur unter extrem künstlichen Bedingungen die Akzeptanz festgestellt werden wobei dann Vieles auch floppen kann. Insgesamt soll mit dem Vorhaben die Dienstleistungsorientierung in der Region gestärkt werden.Das Josephs ist ein Forschungsprojekt, das vom bayerischen Wirtschaftsministerium gefördert wird. Besonders nachdem mit AEG und Quelle wichtige Unternehmen der Region weggebrochen sind, hat man erkannt, wie wichtig es ist vor allem produktionsorientiert vor zu gehen. Die Zukunft liegt in der Lösung von Problemen und nicht in der Herstellung von Waren.

Antwort auf die wirtschaftlichen Rückschläge
Beim Einsprechen zur Soundvase

Benjamin spricht ins Mikro für eine neue Vase. Foto: © Nürnberg und so (cc)

Das Josephs ist also auch eine Antwort auf die wirtschaftlichen Rückschläge in der Region. Es wird versucht, Nürnberg als Dienstleistungsregion zu etablieren. Man soll hier keine Fragebögen ausfüllen müssen, vielmehr werden die Teilnehmer in die Vorhaben eingebunden. Es geht um die Zukunft des Handels und darum, die Offline- mit der Onlinewelt zu verknüpfen. Zum einen funktionieren komplette Outfit-Beratungen online sehr gut, umgekehrt lässt ein Unternehmen wie Zalando wieder Produktkataloge drucken.

Nach welchen Kriterien werden die Unternehmen ausgesucht, die sich im Josephs präsentieren?

Wir wollen eigentlich alle haben. Start-ups zum Beispiel müssen unglaublich hohe Hürden überwinden um überhaupt ein Ladengeschäft eröffnen zu können. Denen bieten wir die Plattform in lockerer Atmosphäre über ihr Vorhaben und die mögliche Realisierung zu sprechen. Dabei sind wir aber nicht auf Start-ups oder mittelständische Unternehmen fokussiert – auch größere Betriebe können bei uns inkognito Sachen ausprobieren.

Schrecken Begriffe wie Design Thinking, mit denen ihr arbeitet, die Leute auch ab?

Es stimmt, der Laden wird schon als radikal neu wahrgenommen. Wir denken, dass die Leute eher neugierig als abgeschreckt sind. Die Veranstaltungen, bei denen solche Begriffe eine Rolle spielen, werden von einem breiten Publikum besucht – vom Arzt bis zum Studenten oder Senior. Das Schlüsselwort zur Offenheit heißt auch: „Alle Buzzwords raus“

Prosumenten vs. Konsumenten

Wer profitiert vom Josephs? Unternehmen oder Kunde?

Unser Ansatz ist der: Wer mitgestaltet und seinen Input gibt, kann später auch die passenden Lösungen bekommen. Keinem ist geholfen, wenn ein Unternehmen im stillen Kämmerlein Sachen entwickelt, die dann später ein Flop werden. Die Menschen sind bei uns Prosumenten und nicht passive Konsumenten.

Wie sieht die Zukunft der Marktforschung aus?

Interaktions-Test

Benjamin interagiert mit dem System, um sich einen Sitzwürfel zu kreieren. Foto: © Nürnberg und so (cc)

Klassische Befragungssituationen wird es immer geben und die werden auch immer gebraucht. Für manche Entscheidungen benötigt man eben repräsentative Bevölkerungsgruppen. Wir wollen die Menschen nicht in irgendeine vorgegebene Richtung lenken. Uns geht es mehr um Stoßrichtungen für Innovationen, Sachen im kritischen Dialog zu lernen. Wenn mal etwas nicht funktionieren sollte, bekommen wir auch sofort ein sehr klares Feedback.

Arbeitet Ihr über die drei Monate hinaus mit den Unternehmen zusammen?

Im Vorfeld gibt es natürlich eine intensive Zusammenarbeit denn wir wollen insbesondere wissen, welche Fragen das Unternehmen beantwortet haben möchte. In den drei Monaten beobachten wir und passen Sachen an – soviel zum Thema Design Thinking. Nach den drei Monaten bekommen die Unternehmen die Auswertung der gesammelten Daten, zum Beispiel auch hinsichtlich der Laufbewegungen der Besucher.

Über das Experiment hinaus
Toilette im Josephs

„Nice seeing you today“. Foto: © Nürnberg und so (cc)

Wie bekommt man eine Präsentationsfläche im Josephs?

Die Unternehmen können jederzeit auf uns zukommen. Aber auch wir gehen bisweilen auf diese zu, wenn wir finden, dass sie zu einer unserer Themenwelten passen. Dieses Jahr sind wir auf jeden Fall schon ausgebucht. Die Gesamtlaufzeit des Projekts beträgt drei Jahre. Wenn es gut läuft, möchten wir gerne weitermachen – auch über diesen Experimentier-Status hinaus.

Sind Produkte immer erfolgreich, wenn man die Leute zuvor befragt?

Es gibt diese lustigen Zitate: Henry Ford sagte, „Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt: schnellere Pferde“. Hätte Steve Jobs hingegen die Leute vorher gefragt, was sie sich für den iPod wünschen, hätten sie sicher gesagt: „Einen USB-Anschluss.“ Es existiert also Beides nebeneinander. Bei Innovationen soll es vor allem um deren Nutzen und nicht nur um die bloße Existenz gehen. Deshalb kann auch nur der Kunde entscheiden, was ihm die Sache wert ist.

Begrüßung am Eröffnungstag

Herzlich wurden die Besucher am Eröffnungstag begrüßt. Foto: © Markus Wolf / Nürnberg und so (cc)

So erreichte zum Beispiel Nintendo mit der Wii die Gruppe der Senioren als Casual Gamer. Nun steht das Unternehmen vor neuen Schwierigkeiten, denn diese Zielgruppe ist mit der Wii bereits bestens bedient und bedarf nicht des Nachfolgers WiiU. Nun heißt es, sich entweder langfristige Gedanken über neue Zielgruppen und deren Bedürfnisse zu machen oder sich wieder auf seine Kernzielgruppen zu konzentrieren.

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