Jazz, Helene Fischer und der Z-Bau
Aktualisiert am 01. September 2015 von Benjamin Jungert
Früher war es das Schreiben, jetzt ist es das Reden. Seine Agentur-Tätigkeit füllt Reinhold Horn (Jahrgang 1960), langjähriger Musikjournalist, ehemaliger Programmchef des Jazzstudios und Kulturpreisträger der Stadt Nürnberg mittlerweile komplett aus. Dabei greift er so oft wie nie zuvor zum Hörer, baut internationale Kontakte auf oder etabliert sie.
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Konzerte besucht Reinhold jetzt seltener, aber nicht weniger leidenschaftlich. Schließlich hat er schon viel gesehen, 25 Jahre für die Abendzeitung Nürnberg Konzerte besprochen und Interviews mit Musik-Größen wie James Brown, Bill Wyman oder Robert Fripp geführt. “Als Chronist wird man irgendwann müde”, sagt er. Doch auskunftsfreudig ist er immer noch und reich an Erfahrung zum Thema Musikszene in der Region Nürnberg, Schwerpunkt Jazz. Ich führte mit ihm ein interessantes Interview zum Jazz- und Konzertstandort Nürnberg, über Helene Fischer und den Z-Bau.
Wie steht es um die Nürnberger Jazzszene 2015?
Jazz in Nürnberg wird immer vielfarbiger, vitaler, immer mehr Akteure treten auf den Plan. Es gibt "Brozzijazz", die Reihe “Jazz am Bahnhof” im Kulturbahnhof Kalchreuth, Jazzkonzerte im DB Museum, das "NUE Jazz Festival" auf AEG, die Konzerte des Metropolmusik e.V. und vieles mehr. Für eine mittelgroße Großstadt wie Nürnberg gibt es wohl mehr Jazz als irgendwo in Deutschland. Die Musiker suchen sich ihre eigenen Wege, auch um international anschlussfähig zu sein.
Die regionalen Künstler wie z.B. die Klarinettistin und Komponistin Rebecca Trescher spielen mittlerweile erfolgreich auch in größeren Clubs, der Sänger Tobias Christl hat unter anderem an der Musikhochschule Nürnberg studiert und war für den Echo-Jazz-Preis nominiert. Oder man kann Schlagzeuger Oliver Steidle nennen, der ebenfalls in Nürnberg studiert hat und nicht nur durch Soko Steidle, sondern auch durch seine Zusammenarbeit mit Peter Brötzmann für “Die dicken Finger” bekannt ist. Oder Stefan Karl Schmid, der … (Reinhold Horn kommt hier erst richtig in Fahrt, aber für den Artikel bremse ich ihn ein wenig, Anm. d. Red.)
Bei so viel geballter Jazz-Energie: Warum gibt es nicht wieder ein großes Jazzfestival in der Stadt?
Ein großes Festival würde vielleicht aus Stadtmarketing-Gründen helfen. Aber selbst bei Jazz Ost-West (prominent besetztes Nürnberger Jazzfestival, existierte von 1966 bis 2002, Anm. d. Red.) hat man große Musiker in der Meistersingerhalle versteckt. Für die Musiker von heute sind die vielen einzelnen Spots eine gute Möglichkeit, um sich auszuprobieren. Die Ästhetiken der Künstler gehen dabei weit auseinander, aber überall ist gute Musik zu finden.
Ich persönlich habe meine Erfahrungen mit Musikern besonders regional gesammelt, habe aber jetzt beschlossen, mich mit meiner Agentur national wie auch international zu etablieren.
Was ist der häufigste Satz in Deiner täglichen Booking-Arbeit?
Nehmen wir mal was aus der Kaltakquise: “Kann ich Sie zwei Minuten aufhalten?” Manchmal entwickelt sich aus diesen wenigen Minuten ein langes Gespräch, manchmal ist es auch schnell vorbei.
Wenn Du mal wieder Zeit neben Deiner Agentur-Tätigkeit hättest, was würdest Du machen?
Ich würde eine ausführliche Reportage über junge Jazzkünstler schreiben. Insbesondere über deren Lebenssituation. Ich denke, die Situation für die Künstler hat sich nochmal verschärft, weil sich die öffentliche Hand immer mehr zurückzieht. Jazz zu vermarkten ist eine sehr schwierige Aufgabe.
Aktuell hat z.B. der Saxophonist Kamasi Washington große mediale Aufmerksamkeit erfahren. Die Nürnberger würden ihn sicher gerne sehen, aber man muss nach München oder weiter fahren.
Es ist die Frage, wer ihn hier veranstalten würde. Er ist sicherlich ein Medienereignis, aber hier könnte ich ihn mir nur im Rahmen eines internationalen Festivals vorstellen. Als Einzelkonzert klappt es wohl auch nur dann, wenn die Agentur eine niedrige Gage ansetzt. Dann hat man noch das Problem, dafür Publikum zu finden. Solche Acts bekommen meist nur die Leute mit, die die Szene eh im Fokus haben und die Fachpublikationen lesen.
Im Oktober 2015 eröffnet der erste Bauabschnitt des Z-Bau. Was wird sich dadurch für die Musikszene Nürnberg, auch über den Jazz hinaus, ändern?
Ein neuer Saal ist immer gut, heißt aber nicht automatisch, dass mehr neue, anglo-amerikanische Indie-Musik in Nürnberg passieren wird. Für die großen Namen fehlt den städtischen Veranstaltern einfach das Budget. Es sei denn, man bekommt Tour-Schnäppchen, wenn ein Künstler zu einer symbolischen Gage spielt. Ein neuer, auch großer Saal wird an der grundsätzlichen Lage nichts ändern.
Einschub: Während ich das Interview mit Reinhold transkribiere, veröffentlicht der Z-Bau gerade seine ersten Programm- und Konzertpläne für den Herbst 2015. Reinholds Prognose scheint sich zu bestätigen. Doch dazu am Schluss mehr.
In Nürnberg gab es ja durchaus Konzerte der Spitzenklasse, auch wenn diese oft übersehen wurden bzw. man lange auf diese warten musste. Muss man als Nürnberger einfach geduldig sein?
Vieles, was in Nürnberg passiert ist, hat nicht nur mit Kalkül, sondern auch mit Zufall zu tun. Zum Beispiel, dass Nirvana damals 1991 im Serenadenhof Vorband von Sonic Youth war. An der Presse ging das fast unbemerkt vorbei.
Es braucht eigentlich einen guten Auftrittsort, eine starke Agentur und ein Bündnis mit der lokalen Presse. Aber in den verbliebenen Feuilleton-Redaktionen kämpft keiner dafür. Der Medienlandschaft fehlt sicher der mehrfach ausgezeichnete Feuilleton-Teil der Abendzeitung Nürnberg, auch wenn es in einem Boulevard-Kontext stattfand.
Wir haben in Nürnberg sicherlich die großen Festivals wie Rock im Park, Folk im Park, Klassik Open Air, das Bardentreffen, das Silvestival. Im MUZ-Club gibt es hervorragende Musik, ebenso wie im E-Werk in Erlangen, wo es gute Jazz-Konzerte gibt. Wir haben uralte Lokalbands wie die Shiny Gnomes, die ihren vierten Frühling haben und neue Sachen rausbringen. Es gibt Bands in allen Generationen, die aktiv sind. In Sachen Weltmusik passiert viel in der Tafelhalle. Die Budgets sind halt überall zusammengeschrumpft, dafür können aber die Macher nichts. Und Risiko ist immer mit dabei.
In vielen Gegenden Deutschlands ist kulturell wirklich Wüste, da sieht es hier schon sehr gut aus. Wenn auch der ein oder andere Kritiker-Liebling fehlt.
Eine andere Frage ist die der Partizipation. Vor allem das studentische Klientel kann finanziell oft nicht am kulturellen Leben teilhaben, Tickets sind teuer. Vital ist die Szene auf jeden Fall. Das Stadtmarketing könnte da noch mehr machen und auch Firmen mit dem Kulturangebot hierher locken, um zu Städten wie Heidelberg oder Regensburg aufzuschließen.
Welche Künstler hättest Du gerne mal in Nürnberg?
David Sylvian, John Hassall, John Hiatt oder Rosanne Cash würde ich mir wünschen. Angesagte Flamenco-Künstler wären auch toll oder grundsätzlich, wenn man hier mal die Speerspitze der jeweiligen Genres oder Subgenres bedienen würde.
Profitiert Nürnberg auch davon, wenn Helene Fischer auftritt?
Jedes Helene-Fischer-Konzert ist gut für die Stadt. Jeder Besucher hält sich in der Stadt auf, vielleicht auch länger und lernt Nürnberg kennen. Die Geschmäcker sind freilich verschieden.
Woran fehlt es der Nürnberger Konzertszene?
Es ist die junge Generation gefragt, ein Team von einigen Leuten, denen es erstmal nicht um das große Geld geht. Man braucht einen Business-Plan, Investitionskapital und Geduld. Sie können eine Agentur gründen und das organisieren, was sie wollen. Wenn man das haben will, was man möchte, muss man es selber tun und ein Risiko eingehen. Das habe ich auch festgestellt. Nichts anderes hat Peter Harasim (Concertbüro Franken, Anm. d. Red.) damals gemacht. Und der ist immer noch da.
Rockmusik war schon immer eine Musik der Generationen, auch wenn es schon jetzt viele junge Menschen gibt, denen das nichts bedeutet und für die Musik nur eines von vielen Unterhaltungsmitteln ist.
Fazit des Autors: Viele Musikfans aus der Region wünschen sich seit langem, dass bestimmte Bands endlich (wieder) hier auftreten. Bands, die normalerweise in Städten wie Köln, Berlin oder München spielen, spannende Acts wie Goat, Savages, Sleater-Kinney oder Godspeed You! Black Emperor. Es muss ja nicht gleich Arcade Fire sein.
Wunsch und Wirklichkeit gilt es immer wieder abzugleichen. Im August 2015 veröffentlicht nun der Z-Bau sein Programm für die erste Spielzeit. Es ist sicher ein vielfältiges kulturelles Programm und für ein Zwischen-Fazit freilich viel zu früh. Aber wenn man zum Beispiel die Fehlfarben nimmt, die dort am 10. Dezember 2015 spielen werden, hat man schon den Eindruck, dass nur die Spielstätten wechseln (die Jahre zuvor spielte die Band in der Rockfabrik und im Hirsch), Abwechslung bei Bands in gewisser Größenordnung selten ist. Da ist dann doch wieder Geduld oder, wie Reinhold schon betonte, junges Engagement gefragt.
Infos zu Reinholds Agentur, Idris Media, mit Künstlern wie Shoot The Moon, Efrat Alony und Seide, gibt es hier.