Einhalt der Einfalt
Aktualisiert am 04. Februar 2019 von Theresa Krause
Vegan. Vernünftig. Vielfältig. Bis vor Kurzem sah meine Vielfalt noch ziemlich einfältig aus. »Was ich nicht kenne, esse ich nicht.« Zu den ersten Gaumenfreuden, an die ich mich erinnern kann, gehört das Wiener Schnitzel.
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Als ehemaliger Verfechter einer monotonen Ernährungsweise reichte mir das vollkommen aus. Meine intoleranten Geschmacksnerven duldeten keine Experimente. Fleisch war mein Gemüse. Gott sei Dank bin ich lernfähig. So befreite der Einzug in meine WG nicht nur mein Selbst, sondern auch meine Geschmacksnerven. Blumenkohl, rote Beete, Tofu, Chia, Hirse - Ich machte mir den Feind zum Freund. Das vegane Optimum habe ich (noch) nicht erreicht, dafür ein neues Bewusstsein - im Ansatz.
Auf dem 6. Veggie Straßenfest am 30. Mai in Nürnberg an der Lorenzkirche durften Fleisch- und Pflanzenfresser vom veganen Leben kosten. Die Vielfalt an Köstlichkeiten jenseits tierischer Essenzen dürfte wohl bei nahezu jedem Geschmacksnerv ins Schwarze getroffen haben. Drei Stunden lang schlemmte ich mich fleischfrei ins Glück. Ein Lieblingshäppchen zu nennen, ist schwierig. Ob Schokocookies von den Schaffensschwestern, Haferkekse und Bananenmuffins von Vebu (Vegetarierbund Deutschland), grüne Smoothies, Schnitzelsandwiches fürs gute Gewissen, oder Zucchinipasta, das Sättigungsgefühl wollte sich nicht einstellen. Widerstand, geschweige denn zu widerstehen - bei solch einem Angebot - ein Ding der Unmöglichkeit.
Mit einem Los zum veganen Street-Food Glück
Auf Initiative der fleischlosgewordenen, fleischverneinenden freiwilligen Helferlein des Vebu (Vegetarierbund Deutschland) mutiert die Nürnberger Innenstadt seit mittlerweile sechs Jahren zum Eldorado für Repräsentanten der veganen Lebensweise. Mit einer veganen Lostrommel als Spendenbörse ist es dem Verein jedes Jahr aufs Neue möglich, den grünen Gaumen zu erfreuen, zur Selbstreflexion zu motivieren, oder den Diskurs anzuregen. Doch für den Besucher ist ein Herz aus Rohkost kein Muss: Ein jeder ist willkommen, um das fleischfreie Sein auf Geschmack und Sinnhaftigkeit zu prüfen.
Vegan = Verzicht?
Für manch einen mag der Verzicht auf Ei, Milch und Fleisch wie ein Drogenentzug anmuten. In seiner Abstinenz eine Art Keuschheitsgürtel. Der dazugehörige Schlüssel? Weg. Doch nein, in einem waren sich alle Repräsentanten der veganen Lebensweise einig: Mit dem Verzicht eröffnete sich ihnen eine neugewonnene Vielfalt, die eine Suche nach Substituten beinahe überflüssig werden ließ. Mit ein bisschen Mut und einem Quentchen Neugierde könnte ein jeder seine Küche zum Kreativlabor naturbelassener Köstlichkeiten umfunktionieren. Doch der Veganismus ist ein großer Begriff und darf, kann, soll weit mehr bedeuten als eine »grüne« Ernährungsweise. Was dabei im Fokus steht, ist wohl individuell verschieden. Danika, Mitglied des Vebu und fleißiges Helferlein beim Straßenfest, hat mit der Hinwendung zum Veganismus nicht nur Ihre Freude am Kochen (neu-)entdeckt. Die fleischlose Lebensweise ist zu einer Leidenschaft mutiert, die nicht nur das Gewissen beruhigt, sondern neben vielen kulinarischen Kostbarkeiten, auch eine Menge Spaß und einen Haufen interessanter, liebenswürdiger Menschen mit sich bringt. Die Mitglieder des IMMCS (International Marine Mammal Conservation Society) sehen in der veganen Lebensweise sogar eine gewisse Form der Unabhängigkeit: Leben, essen und genießen, ohne die Umwelt in ihrem Lebensraum einzuschränken.
Du, Ich und das Tier
Für den BVL (Bund für vegane Lebensweise) bedeutet Veganismus ein Leben für die Tiere, die Umwelt und die Gesundheit. Der Bund klärt nicht nur über die vegane Lebensweise als bewussten und nachhaltigen Lebensstil jenseits einer kurzfristigen Modeerscheinung auf: Verschiedenste Sichtweisen auf das vegane Leben sollen im stetigen Austausch inspirieren und zum Aktionismus anregen. Gleichzeitig versucht der Bund öffentliche Vorurteile gegenüber einer veganen Lebensweise abzubauen und einen Einstieg in das Leben ohne Ausbeutung von Tier und Mensch mit hilfreichen Tricks und Tipps zu erleichtern. Der Bund für vegane Lebensweise gliedert sich in regionale Gruppen, die teils autark, teils gemeinsam agieren. Da Nürnberg keinen eigenen regionalen Zweig besitzt, wurde der aufklärende Part auf dem Straßenfest von den Mitgliedern aus Halle übernommen. Wem der Weg nicht zu weit ist, hat dort die Möglichkeit, Gleichgesinnten bei diversen Veranstaltungen beizuwohnen. Auch online wird keine gestellte Frage unbeantwortet bleiben.
»Kork statt Mord« - Der vegane Schick
Vegan essen, aber Leder tragen? - Ein Widerspruch. Für die vegane Fashionista ist Kork das Leder des 21. Jahrhunderts. Ob Geldbeutel, Gürtel oder Jacke - das Imitat steht dem tierischen Vorbild in nichts nach. Inspiriert zur Lederware der nachhaltigen Art wurde bleed clothing in der Hauptstadt Portugals »Porto«. Was Wein zu schützen vermag, sollte auch sämtlichen Witterungen standhalten können. So ist es auch: Der schwarz eingefärbte Kork hält, was es verspricht. Auf startnext.com können sich engagierte Anhänger der nachhaltigen Mode für die Montado Black Edition aus Kork einsetzen und die aktuelle Crowdfounding Kampagne unterstützen. Als Dankeschön winkt ein exklusives Exemplar der veganen Streetwear aus Kork. Wer mit ökologisch wertvoller Kleidung alternative Hippies assoziiert, liegt falsch: Das Label versucht Nachhaltigkeit, Innovation und Design zu verbinden. Vegan goes Style. Der Kork-Style lässt sich zwar aktuell noch nicht käuflich erwerben, aber ein Teil der aktuellen Kollektion von bleed clothing ziert bereits die Regale des Green Fashion Store »Glore«.
Happy Happa - Essen mit & fürs Gefühl.
Der Einkauf im Bio-Markt löst bei mir ähnliche Gefühle aus wie der Einkauf in einer Bäckerei: Happy Happa für die Seele. Mit einer Tasche voll gesunder Köstlichkeiten fühlt sich mein ganzes Ich gleich viel vitaler an - Essen mit und fürs Gefühl. Das bewusste Essen floriert: Eine ganze Reihe veganer Cafés und Restaurants sprießen mittlerweile aus Nürnbergs Gassen. Hype hin oder her, die Vielfalt macht Freude, auch mir als (noch) halbherzigem, veganen Exemplar. Was seit dem Veggie Streetfest mein wohl größter Wunsch für Nürnberg ist? Ein Veganz. Der vegane Supermarkt hat nicht nur mit dem unglaublich leckeren Eis aus Reismilch mein Herz erobert. Das ganze Sortiment besticht geschmacklich (und optisch). Die vegane Gerüchteküche brodelt und spricht von der Eröffnung einer Nürnberger Filiale in absehbarer Zeit.
Gott sei Dank gehören Edeka und Tengelmann zur offiziellen Fanggemeinde vom Veganz. Einige Produkte des Supermarkts mit Nachhaltigkeitsfaktor lassen sich dort kaufen. Bis dahin hoffe ich, dass die vegane Lotterie erfolgreich war und auch im kommenden Jahr das Veggie Straßenfest die Lorenzkirche ziert.