Gestreift wie eine Hummel: Das Arndthaus
Aktualisiert am 04. Februar 2019 von Sebastian Gulden
1914 entstand im Süden Lichtenhofs ein stadtbildprägender Monumentalbau im Heimatstil. Einst temporäres Heim für Lehrlinge und Gesellen, besteht das Arndthaus heute als Sitz kirchlicher Institutionen fort.
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Dass der hünenhafte Bau am südlichen Ende des Hummelsteiner Weges ausgerechnet dunkelgrau und honiggelb gestreift ist, das ist einer jener Zufälle, die den aufmerksamen Passanten unweigerlich zum Schmunzeln bringen. Als das Anwesen mit der Nr. 100 im Jahr 1914 vollendet war, da waren die verputzten Obergeschosse und die Fensterzonen im Hochparterre noch in kräftigem Ochsenblutrot gestrichen, wie unsere historische kolorierte Ansichtskarte zeigt.
Damals zogen gerade die ersten ledigen Handwerkslehrlinge und -gesellen in dem „Jungmännerwohnheim“ ein, das auf eine Gründung des evangelischen Pfarrers und Theologen Christoph Ernst Fikenscher (1869–1931) zurückging. Heute ist es besser bekannt unter dem Namen „Arndthaus“ nach Ernst Moritz Arndt (1769–1860), der in der wilhelminischen Ära nicht nur als Schriftsteller, sondern auch und insbesondere als Leitfigur der Freiheitskämpfe gegen Napoleon Verehrung genoss.
Ihr Haus, das ganz im Sinne der aufkommenden Körperkultur der Zeit um 1900 sogar über eine eigene Sporthalle verfügte, teilten sich die jungen Burschen mit mittelständischen, teils auch großbürgerlichen Dauermietern, die die Wohnungen in der Beletage im ersten Stock bewohnten. Dass sich der Verein Lehrlings- und Gesellenheim Fremdmieter und damit potentielle Nörgler (Azubis waren gewiss auch vor einhundert Jahren schon nicht die leisesten Mitbewohner) ins Haus holten, war finanzielles Kalkül. Denn durch die Mieteinnahmen konnte der Verein zumindest einen Teil der hohen Bau- und Instandhaltungskosten für das gigantische Bauwerk hereinholen.
Schöpfer des Arndthauses ist der Nördlinger Carl Brendel (1870–?), ein Schüler Friedrich von Thierschs. Nachdem er eine Zeit lang als freier Architekt in Nürnberg tätig gewesen war, schloss er sich 1911 mit Max Kälberer zu einer Bürogemeinschaft zusammen. Aus seiner Feder stammen bzw. stammten unter anderem die Jugendstilhäuser Humboldtplatz 3 und 5 (1908–1909), die Katholisch-Apostolische Kirche in der Wöhrder Hirsvogelstraße (1913–1914, zerstört) und die Auferstehungskirche in Fischbach (1932–1933).
Beim Arndthaus hatte Brendel mit einem Problem zu kämpfen, dem sich noch heute viele Architekten gegenübersehen: Er musste ein ausgesprochen großes Bauvolumen auf einer vergleichsweise kleinen Grundfläche unterbringen, und zwar vorzugsweise so, dass sich das Ganze am Ende auch noch harmonisch in das städtebauliche Umfeld einfügte. Brendel löste das Problem, indem er die Bereiche an der Straßenkreuzung und im Norden an der Grenze zum Nachbarhaus Hummelsteiner Weg 98 fünfgeschossig, die Zonen dazwischen nur viergeschossig anlegte. Dadurch entstand ein malerisches Auf und Ab der Baumassen.
Ganz im Sinne der Palazzo-Architektur der Renaissance betonte der Architekt die auffallend hohe Erdgeschosszone durch Lisenen, die die Vertikale der Fassaden optisch betonen. Dezenter Bauschmuck in neobarocken Formen, vorkragende Polygonalerker, Balkone und Gesimsbänder unter den Fensterbänken gliederten die Fronten. Die hellen Faschen um die Fenster gab es 1914 noch nicht. Dafür waren die Öffnungen im Geiste des Heimatstils, der sich Anleihen an der ländlichen Bautradition nahm, mit dekorativ gestalteten, grün und weiß lackierten Fensterläden versahen, die allerdings eher Zierde als Sonnenschutz waren.
Im Ersten Weltkrieg diente das Arndthaus zeitweise als Lazarett. Die Ära des Lehrlings- und Gesellenheims endete 1935: Da kaufte die Evangelisch-Lutherische Landeskirche in Bayern den Komplex an, um darin die Soziale Frauenschule der Diakonissenanstalt Neuendettelsau einzurichten. Fliegerbomben und Artilleriebeschuss richteten im Zweiten Weltkrieg verheerende Schäden an: Das Dach brannte zum größten Teil ab und auch das dritte Obergeschoss wurde arg in Mitleidenschaft gezogen.
Beim Wiederaufbau 1950–1952 beschränkte man sich dann nicht auf eine reine Instandsetzung: Der Bereich zwischen den Kopfbauten im Norden und im Kreuzungsbereich wurde aufgestockt, um zusätzliche Nutzfläche zu gewinnen. Die Kehrseite der Medaille war, dass dadurch Brendels einstige Dachlandschaft merklich an malerischen Qualitäten verlor. Immerhin stellte man das charakteristische Walmdach mit seinem weiten Überstand in enger Anlehnung an den ursprünglichen Zustand wieder her. Auch im Inneren des Hauses blieben bedeutende Teile der ursprünglichen Ausstattung bis heute bewahrt.
Fortan diente die „Hummel“, wie die Bewohnerinnen und Bewohner das Haus liebevoll nannten, bis 1970 als Wohnheim für das Aufbauwerk junger Christen. Heute haben verschiedene Dienststellen der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche ihre Büros im Gebäude.
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