Schöner Wohnen am Park: Eine Häusergruppe in der Rosenau

Aktualisiert am 04. Februar 2019 von
Bleichstraße 2

Türmchen und Giebel wie aus Tausendundeiner Nacht – nicht einmal die Telefonmasten trübten die märchenhafte Anmutung des Hauses Bleichstraße 2. Foto: © unbekannt (Sammlung Sebastian Gulden, cc)

Um 1900 lebten an den Rändern des Rosenauparks die Reichen und Mächtigen. Viele ihrer prachtvollen Häuser gingen im Zweiten Weltkrieg unter. Für das Eckhaus Bleichstraße 2 indes wurde hochwertiger Ersatz geschaffen.

Sechszimmerwohnung mit Parkblick gefällig? Anno 1895 hätten Bauunternehmer Franz Müller und Zimmermeister August Rottenbacher da ein verlockendes Angebot direkt gegenüber des Rosenauparks in petto gehabt – zu einem angemessenen Preis, versteht sich.

Müller hatte 1893 die beiden Grundstücke Bleichstraße 2 und Hochstraße 3 angekauft. Mit dem schlichten Bestandsgebäude, einem klassizistischen Wohnhaus mit Werkstatt, das Maurermeister Johann Conrad Höfler und Zimmermeister Johann Michael Lindstadt 1865 für den Bleistiftarbeiter Georg Heger errichtet hatten, konnte er nichts anfangen. Ihm schwebte eine hochwertige Neubebauung mit luxuriösen Wohnungen vor, und so musste der „alte Kasten“ weg. Der hohen Kosten wegen nahm er Rottenbacher mit ins Boot, dem bereits die beiden Nachbarhäuser Hochstraße 5 und 7 gehörten.

Luxuriöses Häuserpaar

Architekt Valentin Nickel gab sich alle Mühe, den Neubau in die Reihe hochherrschaftlicher Mietshäuser am Parkrand einzupassen. Das gelang ihm auch sehr gut, wenngleich er und seine Auftraggeber letztlich auf die zunächst geplanten Balkone zur Straße und den Erkerturm mit Welscher Haube und Spitzhelm verzichten mussten. Nickels erster Entwurf im Stil der Neorenaissance verströmte eher das Flair von Paris als von Nürnberg. Beim zweiten Plan bereicherte er die Fassaden um einige Elemente der deutschen Renaissance – um Kastenerker mit Beschlag- und Rankenwerkreliefs, Schweifgiebel mit Obelisken und Dachgauben mit glockenförmigen Helmen. Den Erker an der Ecke Bleich- und Hochstraße versah er im dritten Obergeschoss mit dem Monogramm Franz Müllers und dem Künstlerwappen.

Das Eckhaus Bleichstraße 2, aufgenommen 1912 und 2018.

Das Eckhaus Bleichstraße 2, aufgenommen 1912 und 2018. Fotos: © unbekannt (1912, Sammlung Sebastian Gulden) – Sebastian Gulden (2018, cc)

Von außen wirkten die Häuser Bleichstraße 2 und Hochstraße 3 als bauliche Einheit, obwohl sie innen nicht miteinander verbunden waren und unterschiedlichen Eigentümern gehörten. Während Zimmermeister Rottenbacher die Hochstraße 3 als Wertanlage behielt (er wohnte selbst in der Adam-Klein-Straße 51 in Gostenhof), verkaufte Franz Müller die Bleichstraße 2 schon im Jahr der Baufertigstellung an den Kolonialwaren- und Delikatessenhändler Johann Thäter, der im Erdgeschoss seinen Laden einrichtete. Das war äußerst praktisch für die Bewohnerinnen und Bewohner, die damit im wahrsten Sinne des Wortes einen „Nahversorger“ im Haus hatten.

Einige von ihnen werden wohl ihre Hausangestellten zum Einkaufen geschickt haben, denn mit fünf bis sechs Zimmern plus Küche, Garderobe, Kammer, privatem Bad und Toilette gehörten die Wohnungen allesamt dem gehobenen Preissegment an. Entsprechend betucht waren die Mieterinnen und Mieter, darunter die Hopfenhändler Ernst Heidenheimer (mit Ehefrau Paula und den Söhnen Eugen, Leo und Max), Emil Rosenbaum und Karoline Weilheimer, die Rittmeisterswitwe Babette von Beulwitz und der königlich-bayerische Amtsrichter Dr. Hugo Rose.

Ein seltener Schatz: Der Ladeneinbau des Hauses Bleichstraße 2 ist ein seltenes und besonders reizvolles Beispiel der Baukunst des Wiederaufbaus.

Ein seltener Schatz: Der Ladeneinbau des Hauses Bleichstraße 2 ist ein seltenes und besonders reizvolles Beispiel der Baukunst des Wiederaufbaus. Foto: © Sebastian Gulden cc

Zweieige Zwillinge

Im Zweiten Weltkrieg wurden die Häuser Bleichstraße 2 und Hochstraße 3 bei einem Luftangriff völlig zerstört. Bis 1955, als die Malergeschäftsinhaberin Marie Geis eine Garage auf dem Grundstück errichten ließ, blieb das Anwesen eine innerstädtische Brache. Es dauerte aber nicht mehr lange, bis das Eckhaus von Neuem erstand. Der moderne Entwurf übersetzte die Ideen von Architekt Nickel in die Formen der Wiederaufbauzeit: An der Straßenecke erhielt die Fassade einen dreieckigen, die Baumasse belebenden Einschnitt. Balkone lösten die Kastenerker von einst ab, ein vorstehendes Flugdach ersetzte Gauben und Giebel der alten Dachlandschaft.

Stahlrahmentür mit eloxierten Rahmenleisten und Reliefglas, schräg montierter Türgriff und noble Fliesenzier – der Eingang der Bleichstraße 2.

Stahlrahmentür mit eloxierten Rahmenleisten und Reliefglas, schräg montierter Türgriff und noble Fliesenzier – der Eingang der Bleichstraße 2. Foto: © Sebastian Gulden cc

Während schon das Haus selbst zu den gediegenen Schöpfungen des Wiederaufbaus in Nürnberg zählt, ist der Ladeneinbau im Erdgeschoss ein wahrer Schatz: Hier blieben die Schaufenster mit filigranen Rahmen, die Haus- und eine der Ladentüren mit schräg montierten Griffen und die Verkleidung aus glänzenden Keramikfliesen in Schwarz und Elfenbeinfarbe erhalten. Ein Anblick, der leider Seltenheitswert hat in einer Zeit, da die Zeugnisse der 1950er und 1960er noch immer wenig gelten.

Das Nachbargrundstück Hochstraße 3, das nach dem Krieg in den Besitz des Arzneimittelkonzerns Sandoz überging, blieb noch bis 1977 eine Brache. Der Neubau des Nürnberger Büros Kappler & Nützel ist mit seinen Fassaden aus Sichtklinker und Waschbeton ein typisches Kind seiner Zeit. Der Kontrast zu dem leichtfüßigen Eckhaus nebenan könnte kaum größer sein, und so macht das zweieige Häuser-Zwillingspaar völlig vergessen, dass an dieser Stelle einst zwei Gebäude mit ein und derselben architektonischen Handschrift standen.

Andere Vorher-Nachher-Bildfolgen von Stadtbild im Wandel

Fotogener Dauerbrenner: Die „Sutte“ des Heilig-Geist-Spitals

Wintertraum aus Schnee und Sandstein: Das Haus Spittlertorgraben 35

Noblesse aus zwei Epochen: Das Anwesen Marientorgraben 9

Blog abonnieren
'Nürnberg und so' Blogfeed abonnieren

Zusätzlich zu dem Podcast stellt 'Nürnberg und so' auch immer wieder begleitende Geschichten und Informationen aus der Metropolregion Nürnberg vor.

Blog-Artikel als RSS Feed abonnieren

Foodtrucks & Street Food
Finde mit Craftplaces Foodtrucks und Street Food

Logo Craftplaces - mobile Unternehmen wie Foodtrucks und Street Food finden

Die besten Foodtrucks und Street Food in deiner Stadt suchen, denn mobile Unternehmen sind immer und überall für dich da. Craftplaces zeigt dir wo und wann sie unterwegs sind.

Du willst nichts verpassen?
Anmeldung E-Mail Newsletter 'Nürnberg und so'

Anmeldung zum E-Mail Newsletter

Sätze für die Ewigkeit
Podcast Nürnberg und so
Wegen anerkannter Textschwäche zum Beleuchter degradiert.
Stephan Stark in Sendung No. 8
Mit jedem hervorragenden Mehl kann man auch großen Mist backen.
Arnd Erbel in Sendung No. 29
Botschaft für eine friedlichere Welt – Fechten streichen und stattdessen Poetry Slam.
Michael Jakob in Sendung No. 27
Letzte Podcast Sendungen
Nürnberg und so

Jörg Korinek / Podcast-Sendung No. 32

Veröffentlicht am 05.05.2015

Den geborenen Göppinger lockte ein Praktikum in die Frankenmetropole. Dem Weg zum Informatik-Studium gingen einige bundesweite Schulaufenthalte voraus, bei denen er Orientierung gewann und diverse…

zur Sendung No. 32

Roland Rosenbauer / Podcast-Sendung No. 31

Veröffentlicht am 11.02.2015

Aus Cadolzburg kommend, finanzierte er sich mit dem "Ruf der Unendlichkeit" oder der "Rache des Knochenmannes" seine Schulzeit. Trotz BWL Studium landete er schließlich beim Jugendfunk des…

zur Sendung No. 31

Aktuelle Magazin-Artikel
Nürnberg und so

Zehn Fragen an Startup Craftplaces aus Nürnberg

Veröffentlicht am 10.02.2019

Mit der Technologie des Startups Craftplaces finden Millionen Street Food Kunden Foodtrucks. Das junge Technologie-Unternehmen strebt an, das in 5 Jahren alle Foodtrucks in Europa und den USA mit…

weiterlesen

Fotogener Dauerbrenner: Die „Sutte“ des Heilig-Geist-Spitals

Veröffentlicht am 28.12.2018

In den letzten Wochen wurde sie wieder zehntausendfach geknipst: Die malerische Westfront des Heilig-Geist-Spitals. Sie ist nicht nur eines der beliebtesten Fotomotive Alt-Nürnbergs, sondern hat…

weiterlesen

Interview zum Afrika Film

Veröffentlicht am 18.12.2018

Eigentlich war das alles ja gar nicht so geplant gewesen – das mit dem so lange bleiben, das mit dem Alleinsein und dem Weg zu sich selbst. Doch die Frage ist, ob man in diesem Leben so etwas…

weiterlesen

Wintertraum aus Schnee und Sandstein: Das Haus Spittlertorgraben 35

Veröffentlicht am 14.12.2018

Bis zum Zweiten Weltkrieg waren prächtige Vorstadthäuser mit Sandsteinfassaden und Vorgärten in Nürnberg ein vertrauter Anblick. Sie vermittelten weltstädtisches Flair, städtebauliche…

weiterlesen