Durchbruch: Die Baulücke am Celtisplatz

Aktualisiert am 04. Februar 2019 von und Sebastian Gulden
Celtisplatz 8

Neubarocke Dächer, Giebel und Gauben über dem Celtisplatz, 1920. Foto: © Verlag Georg Geng (cc)

Der Celtisplatz in Galgenhof gehört zu jenen Plätzen, die ihrer Anmutung nach den Namen nicht recht zu verdienen scheinen. Doch der Platz war nicht immer die breite Verkehrsachse, als die er sich heute zeigt.

Wer vom Celtisplatz nach Südwesten auf die Pillenreuther Straße blickt, mag sich über die kahle Brandwand und die von Plakatwänden schamhaft verdeckte Hoffläche wundern, die einem da entgegenbleckt. Manch einer mag das an Mega-Cities wie Moskau oder Los Angeles erinnern, wo man in der Vergangenheit ohne Rücksicht auf Verluste gigantomanische Verkehrsachsen durch kleinteilige gewachsene Stadtstrukturen brach.

Im kleinen Maßstab war das auch hier in Nürnberg der Fall: Das Haus Celtisplatz 8 stand nach dem Zweiten Weltkrieg der Verkehrsführung im Wege. Die Baulinie wurde 1977 geändert, die Anwesen Celtisplatz 8 und Pillenreuther Straße 4 weggerissen und die Pillenreuther Straße „autogerecht“ verbreitert. Etwas weiter südlich an der Kreuzung Landgrabenstraße mussten aus demselben Grund weitere Altbauten fallen.

Die Südwestflanke des Celtisplatzes, aufgenommen 1920 und 2016.

Die Südwestflanke des Celtisplatzes, 1920 und 2016. Fotos: © Verlag Georg Geng (1920) – Boris Leuthold (2016) (cc)

Im Bürokratendeutsch der Nachkriegszeit liest sich die Begründung für diesen Eingriff dann so: „Für den Ausbau der Pillenreuther Straße zwischen Bogenstraße und Celtisplatz ist die Beseitigung der o. g. Gebäude [Celtisplatz 8 und Pillenreuther Straße 4] erforderlich.“ Was der Namenspate des Platzes, der Dichterfürst und Dürer-Zeitgenosse Konrad Celtis wohl dazu gesagt hätte? Vermutlich hätte er den „pawmeystern zw Nuerenberg“ eine sprachlich wesentlich brillanter formulierte Philippika wider die Verunstaltung der altehrwürdigen Noris entgegengeschleudert.

Der Umbau an dieser Stelle, der vielen überzeugten Autofahrern nur recht und billig erscheinen dürfte, ist städtebaulich ein veritables Desaster. Die L-Form des Hauses Celtisplatz 8 und die Verengung der Pillenreuther Straße hatten gestalterisch nämlich durchaus ihren Sinn, denn sie gaben dem Celtisplatz überhaupt erst die Anmutung eines Platzes.

Zudem hatte das Haus im Krieg nur verhältnismäßig geringe Schäden davongetragen und war zunächst auch instandgesetzt worden; ein funktionales Walmdach war an die Stelle der einst reich belebten Dachlandschaft getreten. Nur das Anbringen der neuen Balkongitter ließ arg lange auf sich warten, so lange, dass bei einer unglücklichen Gelegenheit um ein Haar ein Kind aus dem Haus gestürzt wäre (gottseidank ging die Sache glimpflich aus). Allein, die Baukunst der Jahrhundertwende zählte in den 1970er Jahren wenig. Sie galt als Zeugnis einer als rückständig empfundenen Zeit, die viele lieber vergessen wollten. Auch Christian Rucks Gestaltung des Anwesens Celtisplatz 8 in Formen des Barock und des Heimatstils dürfte damals wenige Freunde gefunden haben. Dabei ergänzte sie sich hervorragend mit den schmucken Fassaden des etwas älteren (und noch heute bestehenden) Ringhotels Loew’s Merkur auf der östlichen Platzseite.

Das Ringhotel Loew’s Merkur gegenüber dem Haus Celtisplatz 8, aufgenommen zwischen 1958 und 1963.

Das Ringhotel Loew’s Merkur gegenüber dem Haus Celtisplatz 8, 1958/1963. Foto: © Verlag C. Andro, Nürnberg (cc)

Bauherr des Gebäudes war 1911 bis 1912 der Bauunternehmer Georg Weidner, der kurz zuvor besagtes Hotel nach eigenen Plänen erbaut hatte. Wie die meisten Gebäude an öffentlichen Plätzen beherbergte Celtisplatz 8 sowohl Wohn- als auch Gewerbeeinheiten. In den Obergeschossen befanden sich pro Etage zwei Wohnungen gehobenen Standards mit eigenen Bädern und Toiletten. Im Erdgeschoss bot Kaufmann Theodor Wehrle Büroartikel feil und betrieb einen Reparaturservice für Schreibmaschinen. Nebenan im Celtis-Café wurde bei einer Wiener Melange und einem Stück Prinzregententorte die Wartezeit auf den Zug, der vom Hauptbahnhof gegenüber abfuhr, zum Genuss.

Erst ab 1975, dem „Jahr des Denkmalschutzes“, fand die Baukunst des 19. und frühen 20. Jahrhunderts wieder mehr Anklang in der breiten Öffentlichkeit – zu spät für die Hausnummer Celtisplatz 8. Auch danach noch fielen in Nürnberg manche Villa und mancher Prachtbau – etwa die Villa Ertheiler in der Virchowstraße und die alte Bundesbank an der Bahnhofstraße – der Abrissbirne zum Opfer; zumindest manchmal konnten renitente Hausbesetzer und Proteste von Anwohnern das kulturelle Erbe vor der Vernichtung bewahren. Heute stünde das Anwesen Celtisplatz 8 vielleicht unter Denkmalschutz. Seine Geschichte und sein Verlust erinnern daran, dass eine Stadt nicht nur für das Auto da ist, sondern auch und vor allem für die Menschen, die sie bewohnen und eine lebenswerte Umgebung brauchen.

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