Kaserne, Möbel & IT: Die bewegte Geschichte des DATEV Campus

Aktualisiert am 04. Februar 2019 von und Sebastian Gulden und Stefan Schwach
Fürther Straße 111

Die Bataillonskaserne in der Fürther Straße 111 im Jahre 1910. Foto: © anonym (cc)

Stolze drei Mal in 129 Jahren wurde das Grundstück Fürther Straße 111 in Gostenhof neu bebaut. Auf Soldaten folgten Möbelpacker und IT-Spezialisten.

1886 erhielt das 14. Königlich-Bayerische Infanterie-Regiment, das seinerzeit den Namen des Herzogs Carl Theodor führte, nach zweijähriger Bauzeit an der Fürther Straße in Gostenhof seinen neuen Friedensstandort. Das Hauptgebäude mit den Mannschaftsunterkünften, das unser historisches Bild zeigt, war eine gewaltige Dreiflügelanlage aus Ziegeln in nüchternen klassizistischen Formen. Sie passten zur militärischen Nutzung des Gebäudes. Ganz so schrill, wie sie der Kolorist unserer historischen Ansichtskarte bemalt hat, waren die Fronten aber nicht. Nur das Erdgeschoss, die Gesimse und Gebäudeecken bestanden aus Sandstein. Im Süden schloss sich ein weitläufiger, von Wirtschafts- und Verwaltungsgebäuden umschlossener Exerzierplatz an.

Das Gebäude Fürther Straße 111, 1910 und 2016.

Das Gebäude Fürther Straße 111, 1910 und 2016. Fotos: © anonym (1910) – Boris Leuthold (2016) (cc)

So eindrucksvoll die Kaserne auch aussah, sie war ein Typenbau, den es so oder ganz ähnlich an verschiedenen Truppenstandorten in Bayern – etwa in Ingolstadt, Regensburg oder München – gab. Standardisierte Bauten anstelle von individuellen Lösungen hatten ihre Vorteile: Sie waren kostengünstiger, und mit der einheitlichen Gestaltung konnte die Zentralregierung in München öffentlichkeitswirksame Duftmarken im ganzen Land setzen – königlich-bayerische „Corporate Architecture“, sozusagen.

Nach Auflösung des 14. Infanterie-Regiments 1918 war das Wehrkreiskommando XIII, das die in Nürnberg stationierten Einheiten der Reichswehr bzw. der Wehrmacht verwaltete, in dem Kasernengebäude an der Fürther Straße untergebracht. Im Zweiten Weltkrieg erlitt es durch Bomben schwere Schäden, die Dächer wurden zu großen Teilen zerstört. Leider verpassten die Nürnberger die Chance, das Kasernengebäude in würdiger Weise zu nutzen, wie dies etwa den Ingolstädtern mit ihrer Friedenskaserne gelang; diese beherbergt heute staatliche Ämter und die Polizeidirektion. Sage und schreibe bis 1956 stand der Koloss an der Fürther Straße einsam und verlassen herum, die Substanz litt unter der Witterung und verfiel immer weiter.

Das Möbel-Quelle-Gebäude kurz vor dem Abbruch, 2012.

Das Möbel-Quelle-Gebäude kurz vor dem Abbruch, 2012. Foto: © Boris Leuthold (cc)

Dann kam, nicht ganz unerwartet, der Abbruch. An Stelle der Kaserne entstand das Möbelhaus Hess mit Lager und Verkaufsräumen. Es war ein schlichter Zweckbau mit Fensterbändern, Flugdächern und der obligatorischen Leuchtreklame an der Querfassade. Später übernahm die Möbelsparte des Versandhauses Quelle, dessen Zentrale sich ein paar Kilometer weiter stadtauswärts befand, die Räumlichkeiten.

Nach der Pleite von Quelle 2009 erwarb der Nürnberger IT-Dienstleister DATEV das Grundstück, um dort seinen „IT-Campus“ zu errichten. Der Urban Explorer Danko Green hat das verlassene Gebäude des Möbellagers und seinen Abbruch in bewegenden Bildern dokumentiert. Der Neubau nach Plänen des Büros Boesel Benkert Hohberg konnte im September 2015 seiner Bestimmung übergeben werden. Seitdem bietet der Campus einen Akzent zeitgenössischer Architektur als Gegenpart zum späthistoristischen Justizgebäude gegenüber. An der Adam-Klein-Straße sind zwei historische Militärgebäude des 19. Jahrhunderts erhalten geblieben, die noch einen Eindruck vom Aussehen der früheren Bataillonskaserne vermitteln.

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