Vorstadt-Idyll: Die Hastverstraße
Aktualisiert am 04. Februar 2019 von Boris Leuthold und Sebastian Gulden und Stefan Schwach
Mit ihren vornehmen Mietspalästen und den grünen Vorgärten verströmt die Hastverstraße in den Gärten hinter der Veste noch heute das großstädtische Flair der Jahrhundertwende.
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Die Hastverstraße – sie ist nur rund 140 Meter lang und vermittelt doch ein idealtypisches Bild noblen Wohnens in der Nürnberger Nordstadt um 1910. Hinter alten Mauern und Zäunen aus Sandstein und Eisen entdeckt der Spaziergänger üppig-grüne Vorgärten und dahinter hohe, schlanke Mietshäuser mit Erkern, Giebeln und Dachgauben. Nur der Name der Straße mag nicht so ganz zu dem Vorstadtidyll passen: Benannt hat man sie nämlich nach einem Militär, genauer gesagt nach dem schwedischen Oberst Claus Hastver, der im Dreißigjährigen Krieg 1634 bei der Rückeroberung von Schloss Reichenschwand fiel.
Die schnurgerade Wohnstraße entstand um 1896 als Verbindung zwischen Meuschel- und Pirckheimerstraße. Ihren krönenden Abschluss erhielt sie aber erst 1926. In diesem Jahr wurde der Koloss des heutigen Bayerischen Landesamtes für Steuern nach Plänen von Johannes Reuter fertiggestellt. Seitdem ragt der Ostflügel des Ämtergebäudes mit seinem U-förmigen Ehrenhof wie ein Schloss über dem nördlichen Ende der Straße auf.
Das Land, auf dem die Hastverstraße verläuft, gehörte ursprünglich dem Bleistiftfabrikanten Gustav Adam Schwanhäußer (Schwan Stabilo), dessen Wohnhaus und Fabrik ganz in der Nähe lagen. Dann trat Architekt Georg Ros auf den Plan: Er kaufte Schwanhäußer ab 1901 nacheinander fast alle Grundstücke an der Straße ab und bebaute sie mit noblen Mietshäusern. Die Pläne dazu fertigte er selbst. Dass die Entwürfe aus einer Hand stammen, spürt man noch heute an der stimmigen, malerischen Erscheinung des Straßenbildes. Dabei gleicht kein Haus dem anderen; in den Fassaden wechseln sich Motive des Nürnberger und des Jugendstils ab. Von besonderem künstlerischen Wert sind die beiden Eckhäuser Meuschelstraße 34 und 38, die auf beiden Bildern jeweils im Vordergrund angeschnitten sind (die Nr. 34 entwarf im Übrigen nicht Georg Ros, sondern Kunstschulprofessor Heinrich Egelsehr). Mit ihren reich gegliederten Fronten gehören sie zu den schönsten Schöpfungen des Jugendstils in Nürnberg.
Was das Bild noch erzählt
Die farbenfrohen Fassaden des Hauses Meuschelstraße 38 (auf beiden Bildern vorne links) lassen nicht vermuten, dass die Nationalsozialisten das Gebäude einst zur Vorbereitung der Schoa missbrauchten. Wohl bereits in den 1930er Jahren enteignete es die Stadtverwaltung und zweckentfremdete es als „Judenhaus“, von denen es in Nürnberg Dutzende gab. Unter unwürdigen Bedingungen wurden dort jüdische Bürgerinnen und Bürger mit ihren Familien eingepfercht. Vordergründig diente die Maßnahme dazu, andernorts Wohnraum für „arische“ Mieter freizumachen. Insgeheim wollte man so aber auch gewährleisten, dass die Deportation der jüdischen Bevölkerung in die Ghettos und Vernichtungslager ohne großes Aufsehen durchgeführt werden konnte. Ausgerechnet in der „Stadt der Reichsparteitage“ war es zuvor immer wieder zu Tumulten wütender Anwohner gekommen, wenn die Staatsmacht jüdische Nachbarn aus ihren Häusern holen wollte.
Zu den zwangsweise Einquartierten in der Meuschelstraße 38 gehörten der Stoffhändler Gustav Diebach, seine Frau Klara und ihre Töchter Liselotte und Gerda, die damals etwa dreizehn und sieben Jahre alt waren. Im März 1942 verschleppten die Nationalsozialisten die Familie und rissen sie auseinander: Die Eltern kamen ins Ghetto Izbica, die beiden Kinder wurden direkt ins Vernichtungslager Treblinka deportiert. Vater Gustav starb nur wenige Tage nach der Ankunft. Was mit Klara, Liselotte und der kleinen Gerda geschah, wissen wir nicht. Sie kehrten nie wieder zurück.
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