Jugendstil am Eck: Das Haus Kobergerplatz 4

Aktualisiert am 04. Februar 2019 von
Kobergerplatz

Der Kobergerplatz in der Abendsonne, im Hintergrund die Häuser Nr. 8, 6 und 4 (von links nach rechts). Foto: © Boris Leuthold cc)

Als Verkehrsknoten geplant, ist der Kobergerplatz heute ein fast schon idyllischer Stadtteilpark mit Wochenmarkt und Spielplatz. Großstädtisch sind die Häuser an seiner Südseite, die vom Einfallsreichtum der Architekten um 1900 zeugen.

In unseren Tagen ist der Kobergerplatz ein ruhiges Eck in den Gärten hinter der Veste mit einer von hohen Laubbäumen umstandenen Grünfläche. Jeden Freitag belebt ein kleiner, aber feiner Wochenmarkt den Platz. Ein paar Schritte weiter, im Carrettschen Park, liegt ein beliebter Kinderspielplatz. Zweimal im Jahr, beim „Kobergerplatzfest“ und beim „Weihnachtsmarkt“ steppt hier der Publikumsbär. Ansonsten lässt der idyllische Zustand vergessen, dass der Kobergerplatz 1899 als Verkehrsknoten geplant wurde, an dem sich nicht weniger als fünf Straßenzüge trafen.

Ein repräsentativer Platz sollte es werden, gesäumt von prachtvollen Fassaden, die den Stolz der Bürger und die Hoffnung auf eine rosige Zukunft ausdrückten. Die Häuser und ihre Fassaden wurden gebaute Wirklichkeit, der ganz große Verkehr aber kam nicht: Der Erste Weltkrieg setzte dem Wachstum der Nürnberger Nordstadt ein vorläufiges Ende. Der „Großreuther Weg“, geplant als direkte Verbindung der Kaulbach- mit der Rollnerstraße, wurde nie gebaut. Auch die Fertigstellung des Nordbahnhofs, der 1899 als Güterumschlagplatz an der Ringbahn errichtet wurde, änderte daran nichts. So blieb die Gegend nördlich des Kobergerplatzes bis in die 1960er Jahre eine locker bebaute Zwischenstadt mit weitläufigen Industrielagerplätzen und Kleingartenkolonien. 1984 erhielt der Kobergerplatz auf Initiative von Anwohnern dann seine heutige, parkartige Gestalt.

Das Haus Kobergerplatz 4, aufgenommen 1920 und 2018.

Das Haus Kobergerplatz 4, aufgenommen 1920 und 2018. Fotos: © unbekannt (1920, Sammlung Sebastian Gulden) – Sebastian Gulden (2014, cc)

Eines der prachtvollen Mietshäuser am südlichen Rand des Kobergerplatzes ist das Eckhaus mit der Nr. 4 an der Einmündung der Kaulbachstraße. Mit seinem Nachbarhaus Nr. 6 bildet es ein gediegenes Ensemble des Jugendstils. Über dem Erdgeschoss aus Sandsteinquadern beleben breite Pilaster und von Stuckrahmen eingefasste Fensterachsen die Fassaden. Die Formen der Kapitelle, der Reliefs unter den Fenstern und des Giebels erinnern an die Baukunst des Barock. Am „Knick“ der Fassade ragt ein dreiviertelrunder Erkerturm mit Glockenhaube auf – ein Stilmittel, das man um 1900 nicht nur in Nürnberg gerne verwendete, um den Ecken von Gebäuden malerische Wirkung zu verleihen.

Die Wohnungen hinter den Fassaden (je zwei pro Etage) waren für ihre Zeit konventionell geschnitten, aber mit je vier Zimmern und eigener Toilette durchaus komfortabel. Das ausnehmend breite Fenster im Erdgeschoss rechts der Eingangstür erinnert an den Obst- und Gemüseladen von Elise und Bernhard Nagengast, nachmals Kolonialwarenhandlung Kolmhuber, der sich hier einst befand. Nach 1945 hat man ihn zu einer Wohnung umgebaut, jedoch mit so viel Fingerspitzengefühl, dass die Veränderung auch auf den zweiten oder dritten Blick kaum auffällt.

Die Häuser Kaulbachstraße 36 und 38 mit Kobergerplatz 4, von rechts nach links.

Die Nachbarhäuser Kaulbachstraße 36 und 38 mit Kobergerplatz 4 (von rechts nach links). Foto: © Boris Leuthold (cc)

Entwerfer des Hauses Kobergerplatz 4 war Gregor Betz, der ein Bautechnisches Büro in der Tuchgasse nahe dem Hauptmarkt betrieb. Er hatte bereits 1906 die Nachbarhäuser Kaulbachstraße 36 und 38 geplant und gebaut. Bauherr des Eckgebäudes war der Maurermeister und Bauunternehmer Georg Hartmann, dessen Wohnhaus und Firma gleich um die Ecke am Kobergerplatz 8 lagen. Auf dem historischen Bild prangt noch sein (heute verschwundenes) Monogramm „G. H.“ am Giebel. Hartmann hatte das Haus nicht lange inne: Schon kurz nach seiner Fertigstellung 1907 ging es an Julius Brebacher, seines Zeichens Vertreter der Pfälzischen Hypobank und wohnhaft in der Fürther Straße. Für ihn war das Haus am Kobergerplatz ein Investitionsobjekt.

Das Eckhaus hat Krieg und Nachkriegsmodernisierung gut überstanden. Allein die neuen Fenster schmeicheln den schmucken Fassaden wenig. Ohne die filigrane Sprossenteilung ihrer Vorgänger wirken sie wie Löcher in der Außenhaut des Gebäudes. Auch die Jalousien aus Holzbrettchen mit ihren aus Blech gepressten Schabracken sind Geschichte. Doch wer weiß, vielleicht kommt sie wieder, die alte Pracht, die oft von solch kleinen, aber wichtigen Details abhängt. Viele historische Häuser im Viertel wurden in den letzten Jahren liebevoll restauriert. Die Gärten hinter der Veste, sie sind heute wieder „in“, so wie anno 1907.

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