Prunkfassaden für das neue Nürnberg: Mietspaläste in Schoppershof

Aktualisiert am 04. Februar 2019 von
Ludwig-Feuerbach-Straße

Blick auf die malerische Fassaden- und Dachlandschaft Schoppershofs, 1906/1930. Foto: © unbekannt (cc)

Als Nürnberg um 1900 seine alten Grenzen sprengte, entstanden auf der grünen Wiese neue Stadtteile mit mehrgeschossigen Wohnhäusern und prunkvollen Fassaden. Viele von ihnen erhielten reichen Schmuck aus Sandstein oder Stuck.

Vor seiner Eingemeindung nach Nürnberg im Jahre 1899 war Schoppershof noch eine weitgehend ländlich geprägte Siedlung mit Bauerngehöften und höchstens zweigeschossigen Häusern, die sich um die beiden altehrwürdigen Herrensitze Schoppershof und Schübelsberg gruppierten. Unter Nürnberger Ägide wandelte sich der Ort binnen weniger Jahre vom Dorf zur Stadt: Unter dem Eindruck des großen Bevölkerungszuwachses, den Nürnberg um 1900 erlebte, schossen allerorts großstädtische Mietshäuser in die Höhe.

Warten, bis die Stadt kommt

Unsere erste Bildfolge zeigt eines jener neu entstandenen Quartiere an der Kreuzung der Schoppershof- und der Ludwig-Feuerbach-Straße. Das historische Foto führt uns am rechten Bildrand eine Situation vor Augen, die uns Heutigen einigermaßen bizarr erscheinen dürfte: Die geschlossene Bebauung bricht nach der Kreuzung Fichtestraße unvermittelt ab, dahinter öffnet sich das noch locker bebaute Vorstadtland. Um 1900 waren solche Situationen typisch. Nicht selten errichteten Bauunternehmer Mietshäuser mit kahlen Brandmauern auf freiem Feld vor der Stadt, in der Erwartung, dass sich der Boom fortsetzen und die Bebauung bald an die Häuser heranwachsen würde.

Die Kreuzung Schoppershof- und Ludwig-Feuerbach-Straße, aufgenommen zwischen 1906 und 1930 und 2017.

Die Kreuzung Schoppershof- und Ludwig-Feuerbach-Straße, 1906/1930 und 2017. Fotos: © unbekannt (1906/1930) – Boris Leuthold (2017) (cc)

An der Ludwig-Feuerbach-Straße dauerte das ziemlich lange: Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Baulücke östlich der abgebildeten Häuser aufgefüllt, die Gegend jenseits der noch weiter im Osten gelegenen Welserstraße, heute eine der wichtigsten Verkehrswege durch Schoppershof, war bis in die 1960er Jahre abgesehen von einigen freistehenden Villen, kleinen Vorstadthäusern, Gärten und Lagerplätzen für Bau- und Industriebetriebe nahezu freies, von Alleen durchzogenes Wiesen- und Ackerland.

Schmutz als Kontrastmittel

Die Häuser auf unserer ersten Bildfolge gehörten mit je zwei Wohnungen pro Etage zur Mittelklasse des zeitgenössischen Wohnbaus. Die blockhaften Formen der Fassaden wussten die Baukünstler jener Zeit durch vorspringende Risalite, Balkone, Loggien und Giebel malerisch aufzulösen. Hinzu kam der reiche, filigrane Schmuck der Fronten mit zarten Stuckornamenten, die man heute im Stadtbild kaum mehr antrifft.

Wer schon einmal eine barocke Kirche kurz nach der Restaurierung von innen besichtigt hat, kennt das Phänomen: Die so reich verzierten Stuckdecken wirken, sofern sie nicht farbig gefasst sind, flach und eintönig. Details sind nur schwer auszumachen. Denn damit einfarbige Reliefs auch aus der Ferne plastisch wirken, braucht’s als Kontrastmittel ein bisschen Schmutz – aber in ätherischen Dosen!

Von „ätherischen Dosen“ kann auf unserem historischen Foto keine Rede sein: Als es aufgenommen wurde, waren die Häuser gerade rund 30 Jahre alt. Trotzdem fühlt man sich beim Anblick der verschmutzten Fassaden unweigerlich an die geschwärzten Häuser erinnert, wie man sie nach der Deutschen Wiedervereinigung in Chemnitz, Erfurt oder Potsdam sehen konnte. Der Grund war hier wie dort derselbe: Rußpartikel aus Industriebetrieben und den praktisch überall anzutreffenden kohlebefeuerten Heizanlagen. Feinstaub war das nicht gerade, eher Grobstaub, der alles mit einem grauschwarzen Film überzog.

Blick um die Ecke: Die Häuser Schoppershofstraße 16 und 18 – aufgenommen 1933 und 2017 – zeigen, wie unterschiedlich mit dem prächtigen Fassadenschmuck verfahren wurde.

Blick um die Ecke: Die Häuser Schoppershofstraße 16 und 18 (von rechts nach links) – aufgenommen 1933 und 2017 – zeigen, wie unterschiedlich mit dem prächtigen Fassadenschmuck verfahren wurde. Fotos: © Otto Kette (1933) – Boris Leuthold (2017) (cc)

Neben den Kriegsschäden und Instandhaltungskosten war die Schmutzanfälligkeit der kleinteiligen Fassadenreliefs ein wesentlicher Grund, warum man den Schmuck in der Nachkriegszeit radikal beseitigte – nicht nur in der Schoppershof- und der Ludwig-Feuerbach-Straße. In jenen Jahren wollten viele Menschen die Vergangenheit hinter sich lassen und in eine neue, in jeder Hinsicht saubere Zukunft starten. Da versuchte manch übereifriger Hausbesitzer, seinen Altbau mit Baumarktmitteln zu einem Neubau aufzumöbeln – mit problematischen Ergebnissen.

Robuster Sandstein

Dass in Nürnberg nicht noch mehr Fassadenschmuck in den Schuttcontainer wanderte, haben wir dem fränkischen Sandstein zu verdanken, dem bevorzugten Fassadenmaterial bis ins 20. Jahrhundert hinein. Der ist zwar im Vergleich zu anderen Hausteinarten von Natur aus eher weich, aber doch robust genug, um das großflächige Abschlagen von Bauschmuck zu einer beschwerlichen, teuren und schmutzigen Angelegenheit zu machen. Während viele Berliner und Münchener in unseren Tagen ihren gründerzeitlichen Bauschmuck wieder mühsam auf ihre Altbaufassaden kleben müssen, erfreuen wir Nürnberger uns am Original aus Sandstein.

Auf unserer zweiten Fotofolge profitierte auch das Haus rechts (Schoppershofstraße 16), das Wolfgang Wiesnet entworfen und 1906 gebaut hat, von der Robustheit des Sandsteins: Heute ist das gut erhaltene Gebäude ein Baudenkmal und ein Schmuck der ganzen Straße, der sich wohltuend von den bereinigten Fassaden rundum abhebt.

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