30. September 1946: Ein Stück Weltgeschichte an der Fürther Straße
Aktualisiert am 04. Februar 2019 von Boris Leuthold und Sebastian Gulden und Stefan Schwach
Am kommenden Freitag wird dieses Bild 70 Jahre alt. Dann jährt sich der Tag, an dem im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher des Zweiten Weltkrieges die ersten Urteile gesprochen wurden.
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Mit Ausnahme des ehemaligen Reichsbankpräsidenten Hjalmar Schacht, des früheren Reichskanzlers Franz von Papen und von Hans Fritzsche, der wohl bekanntesten Stimme des Reichsfunks, wurden alle angeklagten hochrangigen Vertreter des nationalsozialistischen Regimes zu langen Haftstrafen oder zum Tode durch Erhängen verurteilt. Im Vorfeld der Urteilsverkündung richtete die US-amerikanische Militärpolizei eine Hochsicherheitszone um das Nürnberger Justizgebäude ein. Unter den wachsamen Blicken von Soldaten und Schaulustigen verlassen Zuschauer des Prozesses und Mitarbeiter des Gerichtes am Morgen des 30. September 1946 die Trambahn der Linie 1, die auf der Strecke der früheren Ludwigsbahn verkehrte (von dieser berichteten wir in der vorletzten Ausgabe).
Die Kulisse der prächtigen Mietshäuser an der Fürther Straße (Nr. 81–95) lässt beinahe vergessen, dass Nürnberg 1946 in weiten Teilen in Trümmern lag. Gegenüber den gezeigten Bauten gab es zahlreiche Totalschäden, und auch das Justizgebäude hatte vor den Prozessen teilweise mit einem Notdach versehen werden müssen. Die Mietspaläste im Hintergrund entstanden allesamt um 1910, zu einer Zeit, da die Fürther Straße an vielen Stellen bereits bebaut war. Solche Nachverdichtungen gab es vor dem Ersten Weltkrieg häufig. Oft waren Grundstücksspekulanten, die das Land aus Gewinninteressen zurückgehalten hatten, für die Lücken verantwortlich. Hie und da siedelten auch Landwirte und Industriebetriebe ab und warfen ihre Flächen auf den florierenden Immobilienmarkt.
Die Sandsteinhäuser auf unserer Bildfolge boten allesamt Wohnungen gehobenen Standards, in der Regel mit eigenen Bädern und Toiletten. Die Pracht des Fassadendekors und die Vielfalt der Stile – vom Nürnberger Stil über den Neubarock bis zum Jugendstil – künden vom Repräsentationswillen der Bauherrn und Bewohner. Heute präsentieren sich die Häuser weitgehend im Zustand von 1946. An einigen Stellen wurden Fenster ausgetauscht, Gauben verändert und Läden eingebaut.
Die Fürther Straße selbst hat sich dagegen völlig gewandelt: Wo einst die Trambahn verkehrte, verläuft heute ein Grünstreifen, der die Fahrbahnen trennt. 1980 wurde der U-Bahnhof Bärenschanze eröffnet, dessen Zugang man links im aktuellen Bild erkennen kann. Im Justizgebäude erinnert eine Dauerausstellung im Schwurgerichtssaal 600 an die Nürnberger Prozesse – ein Stück Weltgeschichte an der Fürther Straße.
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