Der Obstmarkt: Vom Handelsplatz zur Verkehrsader
Aktualisiert am 04. Februar 2019 von Boris Leuthold und Sebastian Gulden und Stefan Schwach
In puncto Stadtplanung zählt der Obstmarkt in der Sebalder Altstadt zu Nürnbergs beliebtesten Zankäpfeln, denn ein einladender „Marktplatz“ ist er heute kaum mehr. Seine Verschönerung wurde gerade in den letzten Jahren rege diskutiert.
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Tatsächlich mutet die Bezeichnung „Markt“ für den Passanten von heute etwas seltsam an, nachdem hier allenfalls noch während des Trempelmarktes Verkaufsstände stehen. Ansonsten wälzt sich der Autoverkehr zwischen Theresienstraße und Spitalgasse. Dass hier einst Obst und Gemüse gehandelt wurden, daran erinnert heute allenfalls noch der Name.
Dieser Wandel ist Folge des „autogerechten“ Umbaus der Nürnberger Altstadt. Die Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges hatten dazu die Grundlage geschaffen. Dabei kam der Obstmarkt städtebaulich betrachtet glimpflich davon. Die Baulinie der historischen Häuser am Platzrand wurde weitgehend belassen, so dass die Neubauten der 1950er und 1960er Jahre den Platz von einst zumindest in den Grundzügen erahnen lassen.
Große Teile der alten Randbebauung – viele Häuser stammten im Kern noch aus dem Mittelalter – gingen schon bei einem Luftangriff 1943 unter. Die Gebäude gehörten in reichsstädtischer Zeit vor allem einflussreichen Ratsfamilien und anderen vermögenden Sippen. Bis zum Pogrom von 1349 lebten hier auch zahlreiche Familien jüdischen Glaubens – die Synagoge stand am Ort der heutigen Frauenkirche.
In Mittelalter und Frühneuzeit waren Wohnungen an öffentlichen Plätzen begehrt. Der Grund: Die Aussicht war in der Regel unverbaubar, die Räume erhielten mehr Licht und man konnte die tatsächliche oder eingebildete Bedeutung der eigenen Dynastie durch eine entsprechende Gestaltung des Eigenheims jederfrau und jedermann besonders wirkungsvoll vor Augen führen.
Es war ein anonymer Mitarbeiter des Reichsarbeitsdienstes, der unsere historische Aufnahme der zerstörten Häuser an der Südostseite des Obstmarktes zwischen den Kreuzungen Tucherstraße und Vorderer Spitalhof anfertigte und sie später in ein Fotoalbum klebte. Ein nicht ungefährliches Unterfangen! Das private Fotografieren von Bombenschäden war dem Nazi-Regime mehr als unerwünscht und sogar verboten: Man fürchtete, dass die Propagandalüge vom „Endsieg“ dadurch untergraben würde.
Diejenigen, die die Ecke aus der Vorher-nachher-Folge kennen und die Bilder genau verglichen haben, werden einwenden: Warum ist das Gebäude des Heilig-Geist-Spitals auf dem Bild von 2016 so viel weiter entfernt? Die Antwort: Es handelt sich nicht um dasselbe Gebäude. Auf dem Bild von 1943 sind noch die Bauten am so genannten „Vorderen Spitalhof“ vorhanden. Sie gingen nicht einmal zwei Jahre nach der historischen Aufnahme bei einem weiteren Luftangriff in Flammen auf und wurden nach dem Krieg zugunsten der Verkehrsführung und eines Bankgebäudes abgeräumt. Nur der heute sichtbare Trakt des Spitals an der Pegnitz wurde wiederaufgebaut.
Am Ende bleibt zu hoffen, dass die nun anstehende Neugestaltung des Obstmarktes, für die bereits 2011 ein Wettbewerb ausgelobt wurde, ihn wieder zu einem Marktplatz macht, der diesen Namen verdient.
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