Der Journalismus ist am Ende – lasst uns endlich Geld verdienen
Aktualisiert am 04. Februar 2019 von Markus Wolf
Schon ein sehr provokanter Titel, mit dem ich hier aufmache. Aber die zahlreichen Ereignisse der letzten Monate und Jahre mit Nürnberg und so haben mich zu dieser Erkenntnis gebracht. Im Kern geht es bei allen, die online publizieren um Aufmerksamkeit.
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Es geht um Aufmerksamkeit, die für Themen arbeitet und Produkten sowie Menschen eine Öffentlichkeit bietet. Ein Flugzeug stürzt über den französischen Alpen ab und verursachte mehr als nur eine Katastrophe bei den Hinterbliebenen und dem Lufthansa Konzern. Es verursachte darüber hinaus eine Katastrophe im Journalismus oder wie man das auch immer nennen mag, wenn ungeachtet jeder Moral jedem Informationsfetzen der nur irgendwie verfügbar ist nachgerannt wird. Da musste alles herhalten, von Facebook-Kommentaren über Twitter bis Trauerbekundungen in den guten alten Regionalzeitungen.
Bezogen auf das Geschäftsleben würde man von „reagieren“ statt „agieren“ sprechen und wenn eine Abteilung erst an diesem Punkt angekommen ist, stellt die Geschäftsführung recht schnell die Frage: „Was machen die überhaupt?“. Der Journalismus reagiert nur noch, er setzt keine Akzente mehr und auch sonst sind es eher Branchenfremde, die mit Ideen überzeugen können und die Leser auf ihre Seite ziehen.
Ein großes Problem der etablierten Print- und Onlinemedien ist die starre Verknüpfung mit dem Anzeigenverkauf. Wer heute mit internen PR-Abteilungen von großen Unternehmen spricht, der bekommt schnell die Antwort, dass ein Bericht nur noch dann veröffentlicht wird, wenn auch parallel dazu eine Anzeige geschaltet wird, quasi ein indirektes Advertorial, das aber als solches von außen nicht zu erkennen ist. Warum diese Haltung? Weil die Medien ohnmächtig vor einer gravierenden Veränderung stehen, die mit den altbekannten Methoden nicht mehr zu lösen ist. Eigentlich sind es doch die Unternehmen, die die Multiplikatoren benötigen und Aufmerksamkeit beanspruchen. Sie sind es jedoch nicht gewohnt, dafür zu bezahlen. Klappte früher noch die Quersubventionierung per Anzeigengeschäft, so ist es heute nur noch wenigen vergönnt, den Aufwand für gute Inhalte durch Werbung zu refinanzieren.
Einerseits ist Inhalt allgegenwärtig und somit nichts mehr wert, andererseits hat sich die Wertschöpfungskette gedreht. Früher waren es die Konsumenten, die für mediale Inhalt zahlten, heute sind viele kostenlos erhältlich. Beschleunigt wurde dieser Trend durch mobile Apps. Waren es vor einigen Jahren noch die kostenpflichtigen Apps, die den meisten Umsatz brachten, sind es heute die kostenlosen Anwendungen, die mit Mehrwerten Kunden ködern. Die App an sich ist nicht mehr viel wert, nur noch die Menge der Nutzer und die darin angebotenen kostenpflichtigen Dienste zählen.
Für den Journalismus bedeutet dies, dass die Zeiten, in denen der Nutzer für die Bereitstellung von Inhalten bezahlte, vorbei sind. Höchstens ein Medienbruch (z.B. Print, Video, Audio oder veranstaltete Events) können noch Gewinne abwerfen, die Artikel selbst aber nicht mehr. In diesen Zeiten heißt es von den Silicon Yalley Startups lernen und eigene Mehrwerte kreieren. Mehrwerte, die ganz unterschiedlich aussehen können. Einige Verlage oder Medienhäuser machen sich in das digitale Zeitalter auf und kaufen oder beteiligen sich an einem Startup. Sie werben dann für diese Produkte oder Dienstleistungen auf den eigenen Kanälen und testen somit, welches Startup Erfolg hat. Die Gewinne stellen dich dann indirekt ein. Voraussetzung dafür ist aber immer die Reichweite des Medienhauses, also des Multiplikators selbst.
Die Aufmerksamkeit ist das höchste Gut. Um etwas verkaufen zu können, müssen die Leute zuhören. Wer kann diese Aufmerksamkeit besser erreichen als die etablierten Medien? Wo liegt also das Problem? Das Problem sind Veränderungen, die mit der Umkehrung der Wertschöpfungskette einhergehen. Ist im Pressekodex fest verankert, dass Werbung und redaktioneller Inhalt strikt getrennt werden müssen, funktioniert dieses Prinzip bei der Umkehrung nicht mehr. Unternehmen – die Profiteure der Reichweite und Multiplikation – zahlen für diese Dienstleistung. Medienhäuser und Verlage müssen Dienstleister für ihre Kunden werden und können dann durch eine gute Abstimmung aus Inhalt und Werbung ihre Leser begeistern.
Wer jetzt aufgeschreckt ist und mir Blasphemie unterstellt, dem sei gesagt, dass es heute bereits häufig so läuft, es traut sich nur keiner das offen auszusprechen. Erfolgreiche Produkte, egal ob von Verlagen oder Medienhäusern, funktionieren häufig nur noch so. Da wird für einen Artikel bezahlt, der dann ganz normal veröffentlicht wird – ohne Kennzeichnungen wie “Dies ist ein gesponsorter Beitrag” etc. TV-Sendungen getarnt als Wissens- oder Boulevard-Magazine stellen tolle neue Errungenschaften vor – ohne „Dauerwerbesendung“ rechts oben. Ist das schlimm? NEIN, denn diese Inhalte sind nicht plump verpackt oder bestehen nur aus Werbebotschaften, nein, sie erzeugen beim Leser und Zuschauer einen Mehrwert in Form von Information und Erfahrungswerten und genau darauf kommt es an. Nicht umsonst sind „Hands-on“ und „Unboxing“ Videos mittlerweile die beliebtesten Formate bei neuen Produktvorstellungen.
Die Wissensgesellschaft hat die Inhalte überall verfügbar gemacht. Inhalte sind meist nur einen Klick weit entfernt. Jetzt beginnt die Phase der Mehrwerte für den Kunden. Alte Refinanzierungsmodelle funktionieren nicht mehr. Daher braucht es neue Ansätze, die Lösungen bringen. Die Umkehrung der Wertschöpfungskette lässt nicht mehr den Leser oder Zuschauer bezahlen, sondern den eigentlichen Nutznießer der Aufmerksamkeit: die Unternehmen.
Weiterführende Artikel zu diesem Thema:
- Das Hoff zum Sonntag – Der Journalismus existiert nicht mehr
- Absturz des Journalismus
- Zukunft des Journalismus: das Ende der Unabhängigkeit?
- Wenn alle die Ersten sein müssen
- Schleichwerbung – Rechtsbelehrung Folge 24
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