Coworking Erlangen – Schulterschluss mit der Medizin

Aktualisiert am 04. Februar 2019 von mit Bildergalerie
Coworking - daheim arbeiten ist doof

Coworking jetzt auch in Erlangen. Die Nürnberger Experten für OpenSpace bieten jetzt auch Interessierten aus Erlangen die Chance kollaborativ zu arbeiten. Foto: © Markus Wolf / Nürnberg und so

Nach Nürnberg und einem Versuch in Fürth weitet sich der regionale Coworking-Gedanke auf Erlangen aus. Im Gespräch verraten mir Michael Stingl und Julien Denis, warum man an die konservative Health-Care-Branche anknüpft.

Michael Stingl (Coworking Nürnberg) und Julien Denis (Medical Valley) im Interview zum neuen Coworking Space in der Henkestrasse 91 in der Hugenottenstadt.

Geht man davon aus, dass der US-Programmierer Brad Neuberg in San Francisco den ersten „offiziellen“ Coworking Space gründete, gibt es jetzt, 2015 dieses Phänomen seit nunmehr zehn Jahren. Weltweit existieren mittlerweile weit über 2.000 dieser Bürogemeinschaften, in Deutschland mehr als 200. Was die Metropolregion Nürnberg angeht, hat Michael Stingl 2011 den Coworking Space am Josephsplatz und einen Ableger in Fürth mitgegründet. Leider musste dieser nach einem Jahr wieder schließen. „ Aus dem Scheitern von damals zogen wir unsere Lehren für das neue Projekt“ in den Räumen des Medical Valley Center in der Henkestrasse 91 in Erlangen. Zusammen mit Julien Denis vom Medical Valley berichten mir die beiden, warum die Studentenstadt erst so spät einen solchen Ort bekam und warum manche Branchen noch immer Vorbehalte gegenüber Coworking Spaces haben.

Julien, was ist das Medical Valley Center?

Julien: „Das MVC ist ein Gründerzentrum für die Gesundheitsbranche, das vom Wirtschaftsministerium gefördert wird. Wir haben dort 35 Start-Ups im Bereich Medizin und Medizintechnik (Hüftimplantate etc.). Seitdem haben uns die StartUps die Türen eingerannt, nachdem wir vor allem im Health-Care-Bereich zuerst mal für das Thema Gründung sensibilisieren mussten. Dieses Gebiet ist mit vielen Restriktionen behaftet.” Auf 5.000qm kann man sich seinen Arbeitsplatz anmieten und ein Konferenzraum ist der Coworking Space. Das Team des Coworking Space Erlangen erhofft sich dadurch einen regen Austausch zwischen den verschiedenen Bereichen und Startups.

Warum gibt es den Coworking Space Erlangen erst jetzt, nach Nürnberg und Fürth?

Die Initiatoren und Förderer des Vorhabens

Dr. Florian Janik, OB Erlangen, Jörg Trinkwalter, Michael Stingl und Stefan Probst (v.l.) Foto: © Markus Wolf / Nürnberg und so (cc)

Michael: „Coworking hätte in unserer Region eigentlich in Erlangen starten sollen. Die Akteure, die das Vorhaben damals angestoßen haben, waren fast alle Erlanger. Es gab Gespräche mit dem Medical Valley Center. Dort sollte ein weiterer Bauabschnitt hinzugefügt werden, in dem Coworking möglich gewesen wäre. Städtebaulich hat das leider nicht geklappt und so hatte man sich in Richtung Nürnberg orientiert. In Erlangen vollzog sich mittlerweile ein politischer Wechsel, ein Ampel-Stadtrat (SPD, Grüne und FDP) und ein neuer OB (Florian Janik, Jahrgang 1980, Anm. d. Verf.). In den vorangegangenen Koalitionsvereinbarungen wurde dann auch auf die Notwendigkeit eines Coworking Space in Erlangen hingewiesen. Da die Immobiliensituation in der Stadt nach wie vor angespannt ist und die Mietpreise dementsprechend hoch waren, wurde die Stadt Gesellschafter des Medical Valley Center. Auf diese Weise können wir an bestehende Strukturen anknüpfen und zum Beispiel auch das Cafe nutzen. Für uns ist es dadurch möglich, uns mit relativ geringem Aufwand auszuprobieren und eine Community aufzubauen. Coworking ist eben kein Geschäftsmodell um schnell reich zu werden.

Julien: „In Erlangen hat sich ein Sinneswandel vollzogen und deshalb fehlt dort noch eine StartUp-Kultur. In Nürnberg haben wir eine digitale Szene, in Erlangen ist sie noch nicht so präsent. Wir haben zwar den einen Großkonzern und natürlich die Uni aber viele Studenten sehen noch nicht die Vorzüge des Coworkings , aber ich glaube das wird sich über kurz oder lang ändern.

Wie sehen die Preise aus?

„Wir möchten eine ähnliche Preisstruktur wie in Nürnberg. Wir erkennen auch die Tickets gegenseitig an, d.h. Coworker aus Erlangen können die Räume in Nürnberg nutzen und umgekehrt. In Erlangen haben wir die Möglichkeit, günstigere Tarife als in Nürnberg anzubieten, sodass wir damit auch Studenten entgegenkommen (30 Tage kosten derzeit ab 99 Euro, die komplette Preisliste gibt es hier, Anm. d. Verf.). Es gilt die sog. Clean Desk Policy, d.h. man setzt sich morgens an einen freien Tisch und hinterlässt diesen am Abend aufgeräumt.

Wie hat das Phänomen Coworking die Arbeitswelt verändert?

Julien: „In den letzten Jahren haben sich viele Branchen für diese offene Arbeitsweise erwärmen können. Was aber den Bereich Health Care angeht, bestehen hier noch viele Vorbehalte. Die Branche ist ziemlich konservativ, der Begriff Coworking ist dort mit Ängsten behaftet. Da man offen mit unsicher gleichsetzt fürchtet man u.a. auch um die Sicherheit von Patenten. Um dem entgegenzuwirken haben wir eine Open-Innovation-Plattform gestartet (Dort können Unternehmen in einem offenen Netzwerk neu Ideen generieren und diskutieren, Anm. d. Verf.).

Michael: „Ein positives Beispiel für Unternehmen, die vom Coworking-Prinzip profitieren, ist der Stahlhändler Klöckner. Der Unternehmenschef Gisbert Rühl hat im Silicon Valley erfahren wie kleine StartUps ganze Branchen – besonders die eigene - zerstören können. Daraufhin hatte er sich für einige Zeit mit einer kleinen Gruppe von Leuten in das Berliner betahaus, einem Coworking Space, eingemietet. Herauskam zum Beispiel ein Innovation Center und eine App für die Stahlbestellung. Die breite Masse muss allerdings noch erleuchtet werden.“

Blick von der Seite auf den Coworking Erlangen

Foto: © Markus Wolf / Nürnberg und so (cc)

Macht Ihr euch Gedanken über Konkurrenz? Und wer kann eigentlich einen solchen Ort eröffnen?

Julien: „In Tennenlohe gibt es zum Beispiel ein Gründerzentrum, das uns nachfolgen könnte. Prädestiniert dafür wäre auch die Uni mit ihrer Infrastruktur und ihrer Vielfalt an Kunden. Die müssten das aber auch richtig vermarkten. Bedenken hab ich dabei aber keine. Allerdings muss man einen solchen Ort auch mit Leben füllen, denn es reicht nicht aus, einfach nur die Türen zu öffnen.

Michael: „Der Name Coworking ist nicht geschützt sondern nur ein Gattungsbegriff. Es steckt für uns auf jeden Fall viel Arbeit dahinter ihn mit Leben zu füllen. An der FH in Coburg hat man es auch versucht. Es stand eine Etage leer und so wurde ein Coworking Space darin eröffnet und relativ bald aber auch wieder dichtgemacht. Trotz alledem möchten wir alle Akteure auf diesem Gebiet begrüßen und unterstützen. Es gibt Coworking Spaces in der Region wie z.B. das Coworkingstudio in Johannis mit Leuten, die wir sehr schätzen.

Coworking Spaces Hype oder nur Nische?

Wie Michael und Julien nun bereits deutlich gemacht haben, sind Coworking Spaces keine Selbstläufer. Und wo viele einen Trend sehen, vermuten andere nur einen Hype. So war zum Beispiel 2013 das Betahaus Hamburg insolvent, konnte aber letztlich doch gerettet werden. Laut einer etwas älteren Studie von Deskmag sehen die Coworker selbst viele Vorteile in der gemeinsamen Arbeit: höhere Produktivität, Austausch mit anderen Coworkern und letztendlich auch ein höheres Einkommen.

Das Thema Coworking hat definitiv Diskussionspotential. Es ist neuen Herausforderungen gegenüber aufgeschlossen und dadurch in der Lage an neue Branchen anzudocken. All das wird sicher auch Bestandteil der diesjährigen Cowork in Stuttgart vom 27. bis 29. März sein.

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