Der Clubberer, die Ultras und die Polizei

Aktualisiert am 04. Februar 2019 von
Ultras kleben Plakate in Nürnberg

Unterwegs mit Fürther Kennzeichen: Ultras des 1. FCN kleben Plakate gegen RB Leipzig und protestieren gegen Kommerzialisierung des Fußballs. Foto: © anonym

Ein anonymer aber doch offener Brief über den 1. FCN, seine Ultras, RB Leipzig, Fan-Kultur und einen Anruf bei der Polizei.

Früher war alles besser. Das darf ich als Rentner und Club-Fan sagen, denn ich beziehe mich nicht auf politische oder gesellschaftliche Situationen, sondern nur auf die Fan-Kultur meines geliebten Fußballvereins. Ich bin jetzt über 70 und gehe zu fast jedem Heimspiel. Seit Jahrzehnten. Ich nehme so oft wie nur möglich meinen Enkelsohn mit. Ein für mich glücklich machender Ersatz für die fehlenden Auswärtsspiele, die ich mir auf Grund der Reisekosten nicht erlauben kann. Im Stadion kann ich zusammen mit ihm die Atmosphäre genießen und immer mal wieder sogar die so wechselhafte Spielkultur.

Ihr beschädigt die Fan-Kultur

Was stört mich an der Fan-Kultur des Clubs? Es seid ihr Anhänger, die ihr euch mit gegnerischen Fans unter Einsatz von Gegröle und Gewalt duelliert. Ihr, die ihr euch in der dummen Masse für unbesiegbar haltet und aus einer fahrenden U-Bahn den Feuerlöscher durch die Scheibe des entgegenkommenden Zuges schleudert und damit nicht nur direkt die Fahrerin verletzt sondern sämtliche Insassen in Gefahr gebracht habt. Ob ihr euch Ultras oder anderweitig nennt, spielt in meiner persönlichen Bewertung dabei keine Rolle. Braucht ihr Fußball als Therapie? Dann haltet uns Fans und echte Clubberer da raus. Belästigt und gefährdet uns nicht mit Bengalischen Feuern und zieht mit eurem Verhalten das Ansehen unseres Vereins in den Dreck.

Fußball und Kommerz: Ihr Ahnungslosen

Und dann ist da noch eure Meinung zum Thema Fußballfinanzierung. Offensichtlich seid ihr keine Finanzexperten. Bin ich ebenso nicht. Aber ich verstehe, dass Fußball (zumindest in der Bundesliga) ohne Geld schon lange nicht mehr funktioniert. Ihr hingegen prangert „Fußball und Kommerz“ lauthals und durch peinlichen Aktionismus an. So geschehen im Herbst letzten Jahres. RB Leipzig war zu Gast. Ob man Gäste so behandelt, wie ihr es getan habt, steht sicher auf einem anderen Papier. Vor dem Spiel gegen die Roten Bullen lief ich mit meinem Enkel an der Steintribüne vorbei in Richtung Stadion. Dort hattet ihr ein paar Bierbänke aufgestellt. Darauf standen Dosen des österreichischen Brauseherstellers. Um eure Meinung zu Getränk und Produzent unmissverständlich klar zu machen, waren die Behälter mit „Dead Bull“ statt „Red Bull“ beschriftet. Klarer kann man Verachtung offensichtlich nicht kommunizieren. Aber Halt! Mit Darts habt ihr die Fahnen der Leipziger durchlöchert. Ein respektvoller Empfang einer gegnerischen Fußballmannschaft sieht anders aus.

Ist russisches Gas
besser als österreichische Brause?

Nachdem ich mich kurz umgesehen hatte, beantwortete ich auf den verbleibenden Metern zum Stadion meinem Enkel zahlreiche Fragen, die ihm zu eurem absurden Auftreten in den Sinn kamen. Seinem Großvater entgegnete er: „Was ist so schlimm daran, wenn eine Firma viel Geld in einen Sportverein steckt? Der Club bekommt doch auch Geld von einem Möbelhaus.“ Dem hatte ich zu diesem Zeitpunkt nichts hinzuzufügen. Von einem der Vorabende, als ich wegen euch die Polizei rief, habe ich meinem Enkel bis heute nichts erzählt. Warum? Weil ich keineswegs stolz darauf bin.

Ich kann über den laut Werbung Flügel verleihenden Energietrunk nichts sagen. Diabetes und Geldbeutel erlauben mir keine persönliche Erfahrung. Dass der Hersteller einen ganzen Fußballklub ins Leben rief, ist meiner Meinung nach kein Grund ihn zu kritisieren. Was da 2009 in Leipzig bei der Vereinsgründung geschah steht der Gründung in Leverkusen aus dem Jahre 1904 in nichts nach. Der Argumentation des RB-Geschäftsführers „Vereine, in denen Fans aus der Ultra-Szene Strukturen geschaffen haben, nicht im Sinne des deutschen Fußballs, und man wolle sich solchen Zuständen absolut entziehen“ (Zitat bei Wikipedia), kann ich mich angesichts eurer Existenz nur anschließen.

Würde Profifußball ohne Kommerz überhaupt funktionieren? Hopp in Hoffenheim. Kühne in Hamburg. Und was ist eigentlich mit Schalke zu denen ihr eine sogenannte Fan-Freundschaft pflegt? Ist russisches Gas besser als österreichische Brause? Kommt bitte an auf dem Boden der Realität. Geld regiert die Welt. Man muss das nicht gut heißen, aber warum sollte es beim Fußball anders sein? Wenn ihr puren Fußball wünscht, dann geht am Wochenende zu einem der kleinen namenlosen Dorfmannschaften. Beschwert euch dann aber nicht, wenn ihr feststellt, dass man auch dort auf Unterstützung angewiesen ist und auf den Trikots statt roten Bullen das Logo des örtlichen Autohauses prangt.

Plakat Fahrplan

Ultras-Plakat gegen den Fußball-Kommerz von RB Leipzig am Fahrplan einer Bushaltestelle in der Fürther Straße. Foto: © anonym

Ultras und Polizei: Man kennt sich

Es war ein trockener aber kalter Oktober-Abend. Ich fuhr mit dem Auto in der Fürther Straße und bemerkte euren weissen VW-Bus, der immer wieder anhielt. Vier oder fünf von euch Kapuzenträgern sprangen heraus und klebten Plakate an Fahrpläne von Bushaltestellen und an Stromverteilerkästen. Irritiert und aufgeregt parkte ich und lief auf die andere Straßenseite. Mit zitternden Händen – ich hatte Angst, denn wer weiß schon eure Gewaltbereitschaft zu bewerten – zückte ich mein Telefon, machte ein Foto vom Transporter mit laufenden Motor und eines vom Poster. Irgendwie ferngesteuert saß ich wieder hinter dem Steuer und fühlte mich zumindest so sicher, dass ich die 110 wählte. Nach kurzer Erläuterung des Sachverhaltes hörte ich den Beamten am Ende der Leitung unbeeindruckt zu seinen Kollegen rufen „Die Ultras kleben wieder mal Plakate in der Südstadt.“ Seid ihr eigentlich stolz auf diese offensichtliche und nüchterne Bekanntheit beim Auge des Gesetzes?

Es dauerte keine fünf Minuten und vom Plärrer sowie aus Richtung Fürth rasten Streifenwagen mit Blaulicht heran. Kurzes Durchatmen meinerseits. Einen solchen Aufruhr hatte ich mein Lebtag noch nicht ausgelöst. Ich wendete und wollte sehen, was ich bewirkt hatte. Wenige hundert Meter weiter an der Kreuzung zur Willstraße standet ihr in eurem Fahrzeug. Gestoppt und blockiert von ein paar Einsatzwagen. Wie in Zeitlupe registrierte ich im Vorbeifahren wie man euch Fragen stellte und eure Personalien aufnahm. Ob ich dabei Genugtuung empfand? Nein. Denn realistisch betrachtet würde dieser Vorfall auf eure Denkweise sowie Handeln keinen Einfluss haben. Für den Beweis sorgtet ihr selbst die Tage vor dem Rückspiel in Leipzig: Die Gazetten waren voll mit Plakatklebeaktionen der "Nürnberger in Leipzig". Zu diesen Nürnbergern wollte ich in diesen Momenten nicht gehören. Offensichtlich sind auch den sächsischen Gesetzeshütern die Hände gebunden euer Tun zu unterbinden. Das wir verloren haben ist traurig, aber ganz neidlos gönne ich dem Gegner seinen Erfolg.

Ihr allein seid nicht der Club

Ihr seid in der Minderheit (und das ist auch gut so) und steht nicht für die Mehrheit der Menschen, die Wochenende für Wochenende ins Stadion pilgern um mitzufiebern, zu hoffen, zu bangen, sich zu freuen und leider zu oft enttäuscht wieder nach Hause zu gehen. Kommt zur Vernunft. Verzichtet auf Hass gegen gegnerische Mannschaften und deren Konzepte, unterlasst Gewaltaktionen wie in der U-Bahn und kümmert euch besser um so tolle Aktionen wie „Ich bereue diese Liebe nicht“, die zeigen, dass es euch um den Fußball geht. Dass ihr an besagten Abend mit einem Fürther Kennzeichen unterwegs gewesen seid, werte ich als hoffnungsvolles Zeichen.

Grüße von einem von euch.

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